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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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ihm ein, dass er dies erst nach eineinhalb Stunden getan hatte. In der Zwischenzeit hätte er, Bronstein, dreimal gestorben sein können. Und vor allem: Was hatte der Portier in dieser Zeit getan?
    „Waren Sie oben beim Redl?“
    „Aber woher denn. Des hätt ich mich ja nie getraut!“
    „Und was haben S’ dann getan die ganze Zeit?“
    „Das, was ich immer tu, wenn ich Nachtdienst hab. Warten und dabei meinen Gedanken nachhängen.“
    „Und dass ich so lange weg war, das hat Sie nicht gestört?“
    „Aber Herr Inspektor. So wie Sie b’soff…, wie Sie getrunken haben, da war irgendwie klar, Sie brauchen jetzt a bissl a Ruhe. Aber wie S’ dann nach einer Stunde immer noch nicht wieder da waren, da hab ich mir denkt, ich schau sicherheitshalber einmal nach.“
    Wie fürsorglich. Nach einer Stunde setzte im Zweifelsfall wohl schon die Leichenstarre ein. Bronstein rieb sich den Hinterkopf. „Ist irgendwas … passiert, während ich … äh … weg war?“
    Der Portier schüttelte beruhigend den Kopf. „Alles so wie ehedem. Draußen stehen immer zwei Offiziere, die anderen zwei sind derweilen im Café Central. Aber die werden s’ jetzt bald raushauen, weil eigentlich ist dort um zwei Sperrstund. Und vom Herrn Obersten sieht und hört man nix.“
    „Haben S’ einen Kaffee für mich? So stark, dass der Löffel drin stehen bleibt?“
    „Das lasst sich einrichten.“
    „Verbindlichen Dank. Jetzt muss ich einmal schauen, dass ich wieder herzeigbar bin. Wenn S’ so gut sind.“
    Mit einer Geste der rechten Hand deutete Bronstein an, dass er sich erheben wollte, wozu er den nötigen Platz brauche. Der Portier schaute zuerst verdutzt, dann begriff er. Mit den Worten „Ich mach einstweilen den Kaffee“ zog er sich zurück. Bronstein wuchtete sich in die Höhe und wurde sofort von einem stechenden Kopfschmerz gequält. Er streckte sich langsam und trat dann auf die Waschmuschel zu. Nachdem er den Kaltwasserhahn eine gute Weile hatte laufen lassen, fasste er mit beiden Handflächen in den Strahl und schüttete sich das so aufgefangene Nass mit Schwung ins Gesicht. Für einen Moment schüttelte es ihn, doch dann spürte er, wie die Lebensgeister in ihn zurückkehrten. Er beugte sich hinunter und hielt den Kopf unter den Hahn. Als er sich wieder leidlich munter fühlte, trank er gierig und in großen Schlucken, zu diesem Zweck mehrmals mit seinen Händen Wasser schöpfend. Endlich kam er zu dem Schluss, sich wieder ins Foyer wagen zu können.
    „Ich hab Ihnen einen Türkischen gemacht. Der sollte Sie wieder auf Vordermann bringen.“ Bronstein sah den Mann dankbar an und nahm die dargereichte Tasse entgegen. Nachdem er sich ein wenig von dem starken Heißgetränk eingeflößt hatte, ging er zum Hoteleingang und linste vorsichtig um die Ecke. Tatsächlich. Da standen sie. Alle vier. Bronstein blickte in die andere Richtung und erkannte, dass das Kaffeehaus in der Zwischenzeit seine Pforten geschlossen hatte. Er holte seine Taschenuhr hervor und konstatierte: Es war exakt drei Uhr morgens.
    Er wandte sich wieder dem Portier zu und bot diesem eine Zigarette an. Sodann rauchten sie beide und schwiegen. Beide schienen sich so ihre Gedanken zu machen, und das einzige Geräusch, das zu vernehmen war, kam von der Standuhr hinter dem Schlüsselkasten.
    „Aus! Schluss! Genug!“ Mit einer heftigen Bewegung dämpfte Bronstein eine Zigarette aus und stand auf. „So etwas geht doch einfach nicht! Ich geh da jetzt rauf und verhafte den Kerl. Denn die G’schicht muss ein End haben.“
    Der Portier war nicht mehr sonderlich verwundert. Er hatte sich wohl schon eins und eins zusammengereimt, doch in seinem Beruf machte man es sich wohl zur Angewohnheit, still und diskret zu sein. Er versagte sich daher jeden Kommentar und sah Bronstein nur nach, wie dieser die Treppe erklomm. Ein lautes Klopfen, dann ein „Ich komm jetzt rein“, dann wieder Stille.
    Und abermals knarrten die Stufen. Bronstein kam ganz langsam herabgewankt, sah den Portier mit merkwürdigem Gesichtsausdruck an: „Er hat sich erschossen“, flüsterte er beinahe.
    „Na, das wird was werden“, meinte der Portier und erhob sich nun ebenfalls. Bronstein achtete nicht weiter darauf, sondern ging ins Freie, wo ihn die kühle Morgenluft endgültig wieder nüchtern werden ließ. Er hob die rechte Hand und winkte den Offizieren. Diese setzten sich in Bewegung und hatten ihn im nächsten Augenblick erreicht.
    „Ist es … geschehen?“
    Bronstein nickte

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