Tinnitus - Endlich Ruhe im Ohr

akustischer Quellen im Gehirn ist die Mutter, die trotz tiefen Schlafes das Weinen ihres Kindes im Nachbarraum sofort wahrnimmt, als hätte sie spezielle Antennen hierfür.
    Und was passiert beim Tinnitus?
    Hat sich bei einem Tinnitus-Patienten das Ohrgeräusch ähnlich tief in das Unterbewusstsein eingegraben und ist es mit der entsprechenden Wahrnehmung verknüpft, so wird daraus eine ständige Aufmerksamkeit resultieren wie bei einer Mutter.
    Die Abkoppelung des Unterbewusstseins und der Wahrnehmung von Geräuschen ist das Ziel der Beratung und zukünftigen Behandlung – neben der etwaigen medizinischen Behandlung. Das zentrale akustische System muss also wieder auf die normale und nicht auf die ohrgeräuschfixierte Wahrnehmung zurücktrainiert werden.
    Wie eine Mutter im Laufe der Jahre mit Größerwerden ihres Kindes immer weniger auf die charakteristischen Frequenzen ihres Kleinen reagiert, wird auch der Tinnitus-Patient im Laufe der Zeit eine ähnliche Entwicklung durchmachen. Zunächst wird er allmählich feststellen, dass die Fixierung auf das Ohrgeräusch nachlässt. Die Phasen »ohne« Ohrgeräusch werden immer länger.
    Die mit dem Ohrensausen verbundene Stressreaktion, Nervosität und Übererregbarkeit können durch Entspannungstechniken (s. →  S. 136 ff.) stark gedämpft werden. Die Entspannungstechniken tragen wesentlich dazu bei, dass es dem Patienten gelingt, seine Wahrnehmung auf andere, positive Dinge zu lenken. Hat der Patient die Anwendung von Körpertherapien und Entspannungstechniken erlernt, bekommt er in der Regel auch Schlaf- und Konzentrationsstörungen in den Griff.
    WICHTIG
    Tinnitus ist keine Krankheit des Ohres, sondern eine Fehlverarbeitung von Hörimpulsen im Gehirn.
    Tinnitus ist ein natürliches und bei jedem Individuum vorhandenes Phänomen, das lediglich bei manchen durch zentrale Verarbeitungsprozesse übermäßig verstärkt wird. Als Patient lernen Sie wieder, die vorhandenen akustischen Filter im Gehirn einzusetzen, die es ihm ermöglichen, das Ohrensausen nicht mehr bewusst zu hören.
    Der Tinnitusbewältigungskreis
Die richtige Beratung (sog. Counseling)
    Die richtige Beratung durch den Arzt kann entscheidend zur Heilung eines Ohrgeräusches beitragen.
    WICHTIG
    Heute ist man sich sicher, dass der Effekt, den die Beratung bei der Therapie von Ohrgeräuschen hat, mindestens gleich groß ist wie der Einsatz von Medikamenten!
Verstehen Sie den Hilferuf!
    In manchen Fällen kann ein Ohrgeräusch auch ein Hilferuf des Körpers sein, wenn z. B. Arbeit, Sorgen oder Stress zu viel geworden sind. Oft tritt eine Überforderung unbewusst und schleichend ein. Befragen Sie sich selbst, ob das Ohrgeräusch ein solcher Hilferuf sein kann, und befassen Sie sich deshalb einmal mit folgenden Punkten:
Überdenken Sie Ihre momentane Lebenssituation. Spielen Stressfaktoren bei Ihnen eine Rolle? Welche genau sind es?
Versuchen Sie, diese Stressfaktoren so weit wie möglich abzubauen.
Besprechen Sie die Möglichkeit einer vorübergehenden Krankschreibung mit Ihrem Arzt.
Achten Sie auf die Schlafhygiene (s. S. 165 ).
Reduzieren Sie Ihren Termindruck.
Schlagen Sie weder mit Alkohol noch mit der Ernährung über die Stränge!
Vom Gefäßgift Nikotin sollten Sie Abschied nehmen.
Suchen Sie sportliche Betätigung, dreimal in der Woche mindestens eine halbe Stunde.
    WISSEN
    Das Gespräch mit dem Arzt:
    Ihre Mitarbeit ist gefragt:
Versuchen Sie, das Ohrgeräusch nicht zu beachten!
Äußern Sie dem Arzt gegenüber Ihre Vermutung, wie das Ohrgeräusch entstanden ist! Nur wenn die Gedanken von Ihnen und Ihrem Arzt übereinstimmen, kann eine gemeinsam beschlossene Therapie gelingen!
Formulieren Sie Ängste und Sorgen, die Sie mit dem Ohrgeräusch verbinden, damit sich Ihr Arzt darauf einrichten kann.
    Auch Ihr Arzt hat Ziele:
»Entpathologisierung« des Symptoms: Ihr Arzt wird Ihnen verdeutlichen, dass Ohrgeräusche keine Krankheit sind und Sie nicht existenziell bedroht sind!
Gründliche medizinische Abklärung: Ihr Arzt wird Sie gründlich untersuchen, um abzuklären, dass kein krankhafter Prozess hinter dem Ohrgeräusch steht. Die Diagnostik des Hörsystems gehört in die Hand der Fachleute, also der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte!
Aufklärung: Nachdem die Untersuchungen zu einer Diagnose geführt haben, wird Ihr Arzt Ihnen die Auswahl der eingesetzten Medikamente erklären.
Psychologische Aspekte: Möglicherweise bescheinigt Ihr Arzt Ihnen für eine bestimmte Zeit eine Arbeitsunfähigkeit oder empfiehlt