Tinnitus - Endlich Ruhe im Ohr
Das Ohrensausen wurde in den verschiedensten Kulturen nicht als Krankheit oder lästiges Phänomen gesehen. So wurden bei den Ägyptern bereits im 3. Jahrhundert v. Christus Menschen, insbesondere Knaben mit Ohrgeräuschen als Medien zu den göttlichen Wesen verehrt. In der Bibel wird Ohrensausen benutzt, um den Zustand äußersten Entsetzens zu schildern; z. B. im 1. Buch Samuel 3,11 heißt es: »Und der Herr sprach zu Samuel: »Fürwahr, ich werde in Israel etwas tun, sodass jedem, der davon hört, beide Ohren gellen «.
Nach einem eigentümlichen Glauben der Vietnamesen wird das Ohr von einem kleinen Tierchen bewohnt, welches das Ohr beschützt und das selbst auch seine Exkremente, das Ohrenschmalz absetzt. Ohrenklingeln entsteht, wenn dieses Tier mit anderen eindringenden Tier- oder Fremdkörpern in Kampf gerät. Geht das Tierchen verloren, so entsteht Taubheit.
Ab Hippokrates beginnt Tinnitus eine medizinische Bedeutung zu bekommen. Umfangreiche Literatur findet sich auch bei Galen (130 bis 200 n. Christus), der erstmalig Ohrenklingeln als eigene Krankheit neben Schwerhörigkeit erwähnt. Bereits damals bestand die Therapie bei Ohrgeräuschen in der Abstumpfung der Empfindlichkeit des Gehöres durch Opium oder Madragorasaft. Nach Galen gab es Jahrhunderte, in denen sich die Medizinnicht weiterentwickelte. Tralles (525 bis 605) schildert die Ursache von Ohrensausen in Beziehung zu einer reizbaren Empfindlichkeit des Gehörsinnes und bei Krankheiten des Gehirns. Bei den Arabern war es der christliche Arzt Mesue (ca. 1000), der die Ohrgeräusche in Verbindung mit Schwächzuständen und fieberhaften Krankheiten brachte. Er führte eine Menge von Kräutern an, die als Instillation in die Ohren heilen sollten.
Vom 7. bis 13. Jahrhundert waren die Klöster die Domäne der Heilkunde und ein medizinischer Fortschritt ist in dieser Zeit nicht erkennbar. An die Stelle der Naturbeobachtung trat der düstere Aberglaube, die Heilung geschah durch Wundermittel und Zauberei. Erst die Schulen von Salerno und Montpellier ab dem 12. Jahrhundert führten zu einem Aufblühen der systematischen Medizin. Auch hier wird Tinnitus erwähnt und zur Behandlung kamen innere und lokale Mittel aus dem Arzneischatz der Araber. Der bekannteste Forscher des Mittelalters und der Renaissancezeit war wohl Paracelsus (1491 bis 1541), der Ohrgeräusche auch chirurgisch behandeln ließ. Ausgang des 17. Jahrhunderts waren die Forscher sich im Klaren, dass das subjektive Ohrgeräusch vom Hörnerv, vom Gehirn oder den Blutgefäßen herrühren kann. In der Literatur zeigt sich dann auch die Hilflosigkeit gegenüber diesem Phänomen. Es entstanden – wie bis heute – abstruseste Therapieempfehlungen und Kräutermischungen, die den gequälten Opfern helfen sollten. So findet man bei Deatatus (1628) z.B. folgendes Rezept: »Würmchen, die man im Eichenholz und in der Eichenrinde findet, etwa 20 an der Zahl, koche man im Öl von unreifen Oliven. Dann höhle man eine Zyklamenwurzel aus, füllediese mit Öl, Rauten, Würmern soviel man finden kann, füge Bertrampulver hinzu, und zerstampfe dies in einem Mörser kräftig. Von diesem Saft träufle man einige Tropfen über 9 Tage hin in die Ohren. Du wirst wunderliches Erleben!«.
INFO
Berühmte Tinnitus-Patienten
In der Literatur, der Musikgeschichte, der Kunst und auch in der Politik gibt es immer wieder berühmte Persönlichkeiten mit Tinnitus. Hierunter fallen z. B. Martin Luther, der wohl unter einem extremen Morbus Ménière und Tinnitus litt, Ludwig van Beethoven, der schlussendlich sogar ertaubte und Robert Schumann sowie Smetana, der seinen Tinnitus in seinem Streichquartett »Aus meinem Leben« in Form eines schrillen hohen E’s verewigte. Auch Charles Darwin hat seinen Tinnitus in Form eines Tagebuches dokumentiert. Berühmte Künstler mit Tinnitus waren Francisco de Goya und auch Vincent van Gogh, der sich vermutlich wegen seines Tinnitus das rechte Ohr abgeschnitten hat, was in einem seiner berühmten Bilder zum Ausdruck kommt.
Auch so bekannte Persönlichkeiten wie Barbra Streisand, Neil Young, Pete Townshend, Eric Clapton, Charly Haden und Al di Miola sind betroffen.
Die seriöse Medizin sah schließlich Tinnitus als eigenständiges Ohrsymptom an, meist in Verbindung mit einer Schwerhörigkeit oder nach einem Schädeltrauma entstanden. Die therapeutischen Empfehlungen wurden nun mit psychischer Dysfunktion in Verbindung gebracht und es manifestierte sich die Hilflosigkeit der Ärzte und
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