Tiphanie – Feuer der Sehnsucht
ersten Male in ihrem Leben fremden Händen. Mutter Elissa hätte es für Sünde gehalten. Aber Mutter Elissa war tot und das Leben in Sainte Anne d’Auray vorbei.
3. Kapitel
Du lieber Himmel, nun hab dich nicht so!« Rina versuchte vergeblich, ihrem Schützling Gehorsam beizubringen. »Was ist so falsch an diesen Kleidern, die ich dir besorgt habe?«
»Es ist feinstes Leinen, weiche Wolle und Samt! Das kann der Seigneur nicht gemeint haben ...«
Tiphanie stand in einem fast durchsichtigen Hemd vor dem Kaminfeuer und hatte keine Ahnung, dass die Flammen des Feuers die Konturen ihres Körpers verheißungsvoll durchscheinen ließen. Rina unterdrückte einen neidischen Seufzer. Es war nicht besonders viel dran an dem Mädchen, aber das Wenige war entzückend gerundet und würde jeden normalen Mann um den Verstand bringen. Wäre da nur nicht dieser störrische Geist gewesen, der sich ständig gegen irgend etwas auflehnte.
»Man hat mir gesagt, ich soll dich vernünftig kleiden und keine Kosten scheuen. Das heißt nun wirklich nicht grobes Leinen und Barchent. Ich rate dir, dich ankleiden zu lassen, wenn du nicht willst, dass dich der Knappe halbnackt vor dem Feuer findet. Er wird in Kürze erscheinen.«
In ihrer Menschenkenntnis hatte sie das einzige Argument gefunden, das Tiphanie dazu brachte, sich widerstandslos in die kostbaren Kleider hüllen zu lassen. Wo Erwann diese Pracht aufgetrieben hatte, wollte er nicht verraten, aber er hatte ein erstaunlich gutes Auge für die zierliche Figur des Mädchens bewiesen.
Die lapisblaue Samttunika, die eine Handbreit über dem helleren Untergewand aus Seide endete und an den Seiten mit silbernen Schlaufen geschlossen wurde, betonte die Zerbrechlichkeit Tiphanies auf ebenso raffinierte wie elegante Weise. Dünne silberne Spangen an den Schultern und silberne Kordeln um die weiten langen Ärmel vervollständigten den Zierrat.
Der flache Ausschnitt verlief in einem sanften, durchaus züchtigen Bogen von Schlüsselbein zu Schlüsselbein. Tiphanies langer schlanker Hals stieg wie eine Blume aus diesem Rahmen. Frisch gewaschen besaßen ihre kurzen Löckchen einen höchst ungewöhnlichen, silberblonden Farbton. Sie umbauschten gleich einem Heiligenschein den Kopf.
Im Rahmen dieses Schmucks wirkte das feine Antlitz mit den übergroßen hellen Augen plötzlich gar nicht mehr leblos und nichts sagend. Zarte Röte färbte die elfenbeinweiße Haut, und Rina hatte die rosa Lippen mit ein wenig Schminke intensiver gefärbt.
»Grüne Schleierstoffe – und man würde dich für eine Fee halten, die in einer Vollmondnacht über Waldwiesen tanzt«, seufzte sie neidisch.
»In diesen Schuhen?«, entgegnete Tiphanie nüchtern und hob den Rocksaum, damit die weiß bestrumpften Füße in den blauen Pantöffelchen sichtbar wurden. »Ich würde mir Kopf und Kragen brechen!«
Sie sprach selten, aber wenn sie den Mund aufmachte, dann wusste Rina meistens keine Antwort auf ihre knappen, trockenen Bemerkungen. Es waren die Bemerkungen eines spöttischen Mannes und nicht die eines zarten Mädchens. Je näher man sie kennen lernte, um so schwieriger wurde es, sie zu begreifen.
Sie zog sich aus der Klemme, indem sie wie üblich einfach das Thema wechselte. »Die Frage ist nur, ob du eine Haube tragen solltest oder nicht?«
»Selbstverständlich!« Tiphanie griff nach dem zarten Schleiergebilde, das zu dem Gewand gehörte. »Es gehört sich nicht, sein Haar zu zeigen.«
Sie sagte das mit solcher Überzeugung, dass Rina unwillkürlich in den rostroten Lockenschopf griff, der in wirrem Durcheinander ihr breites, gutmütiges, sommersprossiges Gesicht umgab. Ein Blickfang für die Männer, der sie in ihrem Gewerbe sehr erfolgreich machte. Aber zum ersten Male dachte sie daran, dass sie als ehrbare Dienerin vielleicht doch eine Haube tragen sollte.
Dann indes stellte sich jener Hauch von Widerspruch ein, den Tiphanie, ohne es zu ahnen, in den meisten Frauen verursachte. Wie konnte jemand, so winzig, so zart, so fremdartig und übertrieben fromm, es wagen, mit solcher Sicherheit seine Meinung zu vertreten?
»Nein, keine Haube!«, befahl sie und riss Tiphanie die Kopfbedeckung aus den Händen. »Nur eine feine Silberkordel um die Stirn. Ich muss sehen, dass ich so etwas auftreibe. Und wag es nicht, diesen hässlichen Rosenkranz zu diesem hübschen Kleid zu tragen!«
»Es ist das einzige, was mir selbst gehört«, antwortete das Mädchen ruhig und griff nach der Schnur aus groben
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