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Tiphanie – Feuer der Sehnsucht

Tiphanie – Feuer der Sehnsucht

Titel: Tiphanie – Feuer der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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stand. Er bediente auch seinen Herrn, ehe er die dampfende Kohlsuppe mit den Speckstückchen in Schalen schöpfte, mit der das üppige Mahl begann.
    »Nun iss schon!«, brummte Jannik de Morvan, als sie keine Anstalten machte, nach dem geschnitzten Holzlöffel zu greifen. »Du kannst mir später sagen, wie du nach Sainte Anne gekommen bist, wie dein Name lautet und was du bei dem Überfall der Söldner beobachtet hast.«
    »Man hat mich stumm, verletzt und halb tot vor der Pforte des Klosters gefunden«, flüsterte sie und aß immer noch nicht. »Am Dreikönigstag vor fünfzehn Jahren, deswegen wurde ich Tiphanie genannt. Ich selbst kann mich an keine Einzelheiten erinnern, ich war wohl noch sehr klein. Ich weiß nur, dass es ein Feuer gegeben haben muss. Die Nonnen sagten, meine Kleider seien dermaßen beschmutzt und verbrannt gewesen, dass man kaum noch ihre Farbe erkannt hätte.«
    »Armer Hänfling!« Jannik de Morvan beugte sich über den Tisch und schob ihr die Suppenschüssel noch näher. »Es scheint dein Schicksal zu sein, zwischen die Fronten zu geraten. Aber inzwischen ist so viel Zeit vergangen, dass es auf eine Stunde mehr oder weniger nicht ankommt. Hast du denn keinen Hunger?«
    Tiphanie tauchte zögernd den Löffel in die dicke Flüssigkeit und begann mit zunehmendem Appetit zu essen. Der Ritter tat es ihr nach, und Erwann bediente sie beide mit aufmerksamer Höflichkeit.
    Nach geraumer Zeit fiel ihr auf, dass sie von beiden heimlich beobachtet wurde. Was erwarteten sie? Dass sie die Finger in die Suppe tauchte und wie ein Wildschwein schmatzte?
    Sie ahnte nicht, dass ihre Bewegungen eine angeborene Grazie besaßen, die beide Männer verblüffte. Jannik de Morvan fand sich gegen seinen Willen von dem Rätsel angezogen, das dieses Mädchen umgab. Vielleicht lag es daran, dass sie auf seltsame Weise zwischen den Welten stand. Ein Findelkind, nicht Nonne, nicht Magd, nicht Edelfräulein oder Bürgerstochter. Kaum von dieser Welt in ihrer zerbrechlichen Anmut.
    Während er ihr dabei zusah, wie sie zum Ende der Mahlzeit die gezuckerten Pflaumen naschte, sah er so fern und streng aus; dass Tiphanie nicht mehr wagte, nach einer dritten Frucht zu greifen, obwohl sie der Köstlichkeit kaum widerstehen konnte. Allein, sie akzeptierte ihn klaglos als die neue Autorität in ihrem Leben. So wie sie Mutter Elissa gehorcht hatte, war sie bereit, sich auch diesem fremden Willen zu unterwerfen. Um so mehr, als ihr noch nie ein Mensch so viel Gutes getan hatte.
    »Tiphanie und was weiter?« Der Seigneur sparte sich alle höflichen Eingangsfloskeln. Sie konnte nicht ahnen, dass es keine besondere Unhöflichkeit ihr gegenüber war, dass er diese brüske Art auch allen anderen Menschen gegenüber an den Tag legte.
    »Nichts weiter«, entgegnete sie ruhig. »Niemand hat je herausfinden können, wo ich geboren wurde und zu welcher Familie ich gehöre. Sainte Anne war meine Heimat, deswegen wollte ich dort sterben.«
    »Unfug!«, knurrte ihr Gegenüber und stemmte die Arme auf den Tisch, ehe er sein frisch rasiertes, glattes Kinn auf die Unterlage seiner gefalteten Hände legte. »Es ist genügend gestorben worden in diesem Land. Es ist an der Zeit, dass wir wieder zu leben lernen. Hast du Vorstellungen, wie dieses Leben für dich aussehen soll?«
    »Ich kenne nur das Dasein einer Nonne!«
    »Du bist geweiht?«
    Tiphanie wich dem undeutbaren Blick seiner Augen aus, die im Schein der zahllosen Kerzen fast nachtschwarz funkelten. Sie schüttelte den Kopf. »Das letzte Gelübde fehlt mir. Ich sollte es zum Weihnachtsfest gemeinsam mit den anderen Novizinnen ablegen.«
    »Oh, ich dachte ...« Der Seigneur runzelte die Stirn. »Weshalb haben sie dir dann jetzt schon die Haare geschoren?«
    »Mutter Elissa hat es getan, als ich nach Sainte Anne kam, und seitdem wurde es immer wieder geschnitten«, erklärte Tiphanie den Umstand, der ihr noch am wenigsten Kopfzerbrechen bereitete. »Sie sagte, in einem Dasein, das ausschließlich Gott geweiht ist, sei kein Platz für dumme weibliche Eitelkeit.«
    Jannik de Morvan behielt seine persönliche Meinung über diese Behauptung für sich. Eines kristallisierte sich jedoch für ihn heraus: Der Überfall auf Sainte Anne war für Tiphanie anscheinend nur ein weiterer Schock in einem ohnehin jämmerlichen Leben gewesen. Er trank seinen Becher aus und hielt ihn Erwann stumm zum Nachfüllen hin, ehe er sein Verhör fortsetzte.
    »Was kannst du mir über die Nacht erzählen, in der Sainte Anne

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