Tiphanie – Feuer der Sehnsucht
gelernt hättet, Tristane! Eine Dame zetert nicht mit einem Seigneur, dem sie Gehorsam schuldet. Dies ist nicht der Markt von Rennes, sondern die Burg des Herzogs.«
»In seinen Augen bin ich doch ohnehin ein Bauerntrampel, den man nicht vorzeigen kann«, platzte Tiphanie beleidigt heraus, und ihre Stimme klang so gekränkt, dass sich der Zorn des Ritters im Nu in schuldbewusste Reue verwandelte.
»Du weißt genau, dass ich das so nicht gemeint habe!«, verteidigte er sich. »Aber ich musste schließlich einen Grund dafür angeben, dass du bei meiner Tante lebst und trotzdem nicht bei Hofe erscheinst.«
»Es sieht wahrhaftig danach aus, als hätte ich eine höchst bemerkenswerte Aufführung verpasst«, stellte Dame Marthe humorlos fest. »Wenn ihr beide aufhören könntet, euch zu streiten, könnten wir vielleicht einmal in Ruhe über die Folgen sprechen, die all dies hat.«
»Folgen?« Jannik de Morvan knurrte mindestens so gereizt wie Marron in seiner schlechtesten Laune. »Seine Gnaden wünscht, dass dieses reizende Edelfräulein sich zu den Damen seines Hofes gesellt und sie mit ihrem ländlichen Charme in den Schatten stellt. Dagegen werdet Ihr nichts machen können. Er erwartet sie bereits beim heutigen Bankett zu sehen.«
»Du lieber Himmel«, seufzte Dame Marthe, und Tiphanie schnaubte entrüstet.
»Ihr müsst keine Angst haben! Ich werde nicht hingehen und Euch blamieren. Ich bin schließlich nicht undankbar. Ich weiß sehr wohl, was ich Euch zu verdanken habe. Ihr werdet sicher eine Möglichkeit finden, Seiner Gnaden klar zu machen, dass ich nicht wert bin, bei Hofe zu sein. Niemand wünscht, ein Findelkind ohne eigenen Namen an der Tafel des Herzogs zu hofieren. Mutter Elissa hätte es ohnehin für eitle Tändelei gehalten!«
»Und warum heulst du dann?« Jannik de Morvan hatte mit scharfen Augen die feuchten Spuren entdeckt, die Tiphanie so tapfer vor ihnen verbarg. Er trat zu ihr und umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen, während er gleichzeitig mit den Daumen die Tränen fort streichelte.
»Du bist ebenso viel wert wie eine jede dieser eingebildeten Dämchen, rede gefälligst keinen Unsinn. Wenn der Herzog dich sehen will, dann adelt dich allein schon dieser Wunsch. Hör auf, dich wie ein wild gewordener Derwisch aufzuführen, und sag deinem Bewacher, dass ich ihm ins Kreuz trete, wenn er es tatsächlich wagen sollte, mich zu beißen!«
Marron erkannte die Stimme seines Herrn und ließ sich wieder auf die Hinterpfoten nieder. Er spürte viel eher als die beiden Menschen, dass Tiphanie in diesem Moment nicht vor Ärger, sondern vor Sehnsucht nach Jannik bebte. Dass die Berührung der rauen Hände eine solche Fülle von Erinnerungen in ihr weckte, dass sie keine Bewegung machen konnte. Dass ein heimlicher Schauer reinsten Verlangens durch ihre Adern rieselte und jeden Zorn einfach mit sich fortschwemmte.
Eine Spur dieser Gefühle glitzerte in der Tiefe ihrer Augen, und Jannik ließ sie los, als habe er sich an den seidigen Schläfen verbrannt. Er trat hastig einen Schritt zurück und räusperte sich. »Ich werde dich zur Tafel führen, das wird den Gerüchten Einhalt gebieten und dir ersparen, dass du dumme Fragen beantworten musst. Ich bin sicher, Ihr werdet dafür sorgen, dass sie präsentabel aussieht, beste Tante.«
Er verneigte sich vor Marthe de Branzel und verließ den Raum, ehe eine von beiden auch nur eine Silbe sagen konnte. Die einzigen Geräusche waren Tiphanies zitterndes Ausatmen und das schnatternde Beißen, mit dem Marron an seiner Flanke hinter einem Floh herjagte.
»Ich fasse es nicht«, ächzte die alte Dame und schnupperte zur Sicherheit noch einmal an ihrem Riechfläschchen. »Ich kann mich nicht erinnern, wann er zuletzt dermaßen Anteil am Schicksal einer Frau genommen hat. Das Bankett will er aufsuchen! Normalerweise geht er eher freiwillig in die Mitternachtsmesse als zu einem Bankett des Herzogs. Er verabscheut derlei Zeitvertreib!«
Tiphanie versuchte angestrengt, in die Wirklichkeit zurückzufinden. Ihr war jedes Thema recht, das sie davon ablenkte, an die Berührung seiner Hände zu denken und die brennende Sehnsucht zur Kenntnis zu nehmen, die sie in diesem Moment empfunden hatte.
»Ihr meint, er mag diese Feiern nicht und sieht sich nur wegen mir gezwungen, daran teilzunehmen?«, fragte sie leise. »Das tut mir leid.«
»Aber nein.« Dame Marthe schenkte ihr ein Lächeln, das alle Runzeln in ihrem Gesicht zum Strahlen brachte. »Du verstehst das völlig
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