Tiphanie – Feuer der Sehnsucht
falsch. Es ist wunderbar. Er wird endlich wieder unter Menschen gehen und sich den jungen Damen des Hofes zeigen! Ich werde dafür sorgen, dass dieses Monster von Hund nie wieder in seinem Leben hungern muss. Es verdient seine Belohnung. Ich hatte es längst aufgegeben, auf dieses Wunder zu hoffen.«
»Ich glaube, ich verstehe nicht ganz ...«
»Setz dich zu mir, ich denke, ich muss dir etwas erklären!«
Die alte Dame klopfte auffordernd auf ein gepolstertes, lehnenloses Taburett an ihrer Seite, und Tiphanie nahm Platz. Marron legte sich in schönster Selbstverständlichkeit zu ihren Füßen.
»Siehst du, mein Neffe war nicht immer dieser zynische Mann, der alle Welt auf Distanz hält und sich hinter einer wortkargen Mauer des Schweigens verbirgt. Dazu ist er erst nach dem Tod seiner Gemahlin geworden ...«
»Er ist verheiratet«, platzte Tiphanie staunend dazwischen.
»Er war verheiratet«, korrigierte die Edeldame. »Eine Ehe, anfangs so vom Glück begünstigt, wie es selten vorkommt. Seine Gemahlin war Anne-Marie de Branzel, seine Kusine mütterlicherseits und meine einzige Nichte. Anne-Marie liebte Jannik, seit sie ihn zum ersten Male gesehen hatte, und das war im Alter von drei Jahren. Keiner zweifelte je daran, dass er sie zum Altar führen würde, sobald sie das richtige Alter dafür erreicht hatte. Es war leicht, Anne-Marie zu lieben. Ein so liebenswürdiges, schönes und reizendes Mädchen, eine noble junge Dame, die von vielen Rittern umschwärmt wurde, ehe sie ihrem Gemahl die Treue schwor!«
Tiphanie unterdrückte einen heimlichen Anflug von Eifersucht auf diese unbekannte Anne-Marie, der das Schicksal alle Herrlichkeiten in den Schoß geworfen hatte. So wie sie Jannik de Morvan kennen gelernt hatte, konnte er in dieser Ehe trotz allem kein Glück gefunden haben, und die nächsten Worte von Dame Marthe bestätigten es.
»Am Tage ihrer Hochzeit feierte Anne-Marie ihren sechzehnten Geburtstag, und ihr Gemahl war eben zwanzig. Sie nahm in kindlicher Naivität an, dass ihr Leben ein einziger Reigen des Glücks und der Liebe sein würde. Aber in der Bretagne gab es schon damals keinen Frieden. Montfort, Blois, der französische König, die Engländer, ein jeder hätte gerne hier geherrscht. Jannik hatte Montfort seinen Vasalleneid geschworen, und es war keine Frage, dass er an seiner Seite kämpfte. Anne-Maries Tränen bedrückten ihn, aber er verließ sie trotzdem, um dem Ruf des Herzogs zu folgen.«
Die alte Dame schwieg und sah in das prasselnde Kaminfeuer. Tiphanie streichelte mechanisch Marrons Kopf, der auf ihren Knien lag, und wartete geduldig darauf, dass sie weitersprach.
»Als Anne-Marie feststellte, dass sie ein Kind erwartete, forderte sie, dass Jannik nach Hause kommen sollte. Er tat es für ein paar Tage, dann ritt er wieder zum Kampf. Anne-Marie versuchte es mit Flehen, mit Schmollen, mit Tränen und mit Drohungen, aber sie führte einen aussichtslosen Kampf gegen seine ritterliche Ehre. Von da an wendete sich das Blatt. Sie machte jede noch so kleine Beschwerde ihrer Schwangerschaft Jannik zum persönlichen Vorwurf, und ihre Liebe wandelte sich in kindischen Hass.«
Dame Marthe klang resigniert, und Tiphanie versuchte, Anne-Marie zu verstehen. Allein, es gelang ihr nicht. Wie hatte sie den Vater dieses Kindes hassen können? An ihrer Stelle hätte sie vor Glück geweint!
»Nach zahllosen eingebildeten Beschwerden im Laufe der Monate nahm es niemand sonderlich ernst, als Anne-Marie drei Wochen vor der Zeit über Wehen klagte. Alle Welt hielt es für einen neuerlichen Versuch, Jannik an ihre Seite zu holen. Dann jedoch überstürzten sich die Ereignisse. Dieses eine Mal hatte Anne-Marie tragischerweise recht gehabt. Das Kind lag falsch, und es wurde eine schlimme, lange und lebensgefährliche Geburt, bis es endlich auf die Welt kam. Aber immerhin, der Erbe von Morvan lebte, während die Hebamme versuchte, die Blutungen der Mutter zu stillen. Am Ende schien es, als gebe es Hoffnung. Aber an dem Morgen, drei Tage nach der Geburt, als Jannik nach Hause kam, fand er Mutter und Sohn tot im Bett ...«
»Wie ist das möglich?«, flüsterte Tiphanie, von den tragischen Ereignissen gefesselt.
»Genaues haben wir nie erfahren. Aber es sah aus, als wäre Anne-Marie in der Nacht aufgestanden, um den Säugling aus seiner Wiege zu nehmen. Alle schliefen nach den Aufregungen der letzten Tage, sogar die Wehmutter und die Amme des Kleinen. Vielleicht hat der Junge geweint, und niemand außer seiner
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