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Titan 01

Titan 01

Titel: Titan 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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Charles, das Weib hat eine echte Verbindung zu den Göttern, einen so deutlichen und direkten Kontakt, wie ihn noch kein Mensch je hatte. Ich habe einen schriftlichen Beweis dafür.«
    »Und die Götter haben ihr mitgeteilt, daß Recht und Wahrheit siegen werden? George, hörst du denn nie die Nachrichten im Radio? Weißt du nicht, daß dies mit hoher Wahrscheinlichkeit unsere letzten Tage sind? Weißt du nicht, daß dein verrücktes Medium nie mehr ein Kind haben wird, daß die letzte Generation des Menschengeschlechts bereits geboren ist, daß wir jetzt den letzten aller Kriege erleben, aber nicht überleben werden?«
    »Ach nein«, sagte Rogge in einem Ton, mit dem er vielleicht einen Whisky mit Soda statt mit Wasser abgelehnt hätte. »Du siehst nicht weiter, als deine Nase reicht, Charles. Da sitzt du, ein Punkt in einem endlichen Universum in endlicher Zeit, von Urangst geschüttelt, weil es vielleicht keine Punkte mehr geben wird. Ist das denn wirklich wichtig? Du bist ein Element einer endlichen Klasse. Wenn du je darüber nachgedacht hast, wirst du begriffen haben, daß diese Klasse a priori endlich sein muß. Wozu machst du dir Sorgen über ihre ultimative Kardinalität?«
    »… beschuldigt Indien, absichtlich die Konferenz zu boykottieren«, sagte der Nachrichtensprecher. »Inzwischen hat die neue Regierung von Kaschmir, die letzte Woche die Macht ergriffen hat, einen Pakt ›ewiger Freundschaft und Unterstützung‹ mit Peking unterzeichnet. Aus den letzten Berichten ist immer noch nicht zu entnehmen, wann…«
    Nun, man würde mich später über das Versäumte informieren. Das gehörte zu unserem Abkommen. »Mir kam es immer so vor, als wärst du derjenige, der sich über Kardinalität den Kopf zerbricht«, sagte ich. »Möchtest du nicht, daß die Kardinalzahl der Klasse menschlicher Wesen einmal in deinen geliebten transfiniten Bereich übergeht? Wie aber kann das geschehen, wenn wir uns noch in diesem Monat alle gegenseitig umbringen?«
    »Es ist ohnehin nicht möglich, jedenfalls nicht im physikalischmathematischen Sinn«, erklärte Rogge und lehnte sich gemütlich in seinen Sessel zurück. »Gleichgültig, wie lange unsere Rasse existiert oder wie fruchtbar sie ist, sie wird immer eine abzählbare Menge bleiben – alle Elemente der Menge können in eine eineindeutige Relation zu den natürlichen Zahlen gebracht werden. Wenn wir alle ewig lebten und uns sehr schnell vermehrten, würden wir vielleicht zu einer abzählbar unendlichen Menge werden – in unendlicher Zeit. Aber wir haben nicht unendlich viel Zeit; außerdem ist ja die allererste transfinite Zahl die Kardinalzahl aller derartigen Mengen. Nein, mein Lieber, das schaffen wir nie.«
    Ich war, um es gelinde auszudrücken, irritiert. Wie konnte sich dieser Mann so selbstzufrieden in seinen Abstrusitäten verlieren, wo uns die rote Gefahr mit endgültiger Vernichtung bedrohte…
    »Der Aufschub, von dem du gesprochen hast, hat also nichts mit uns zu tun, was?«
    »Oh, es könnte durchaus sein, aber das ist noch die unwichtigste Implikation… Hast du noch eine von diesen Panatellas übrig, Charles?… Sehr gut. Nein, was ich eigentlich meinte, war der Aufschub für das Universum. Es hat die Chance bekommen, der Menschheit gerecht zu werden.«
    »Du solltest wirklich der B. B. C. ein paar Minuten deiner Aufmerksamkeit schenken«, sagte ich. »Nur um eine Vorstellung davon zu bekommen, was die Menschheit wert ist. Nicht viel da, dem das Universum gerecht werden könnte.«
    »Aber es ist ein so armseliges Universum«, erklärte Rogge aus einer neuerschaffenen Rauchwolke heraus. »Es ist so begrenzt. Im Außenbereich ist es gewiß nicht mehr als zehn Milliarden Jahre alt, und es stirbt bereits. Die Raum‐Zeit‐Blase mag sich ewig weiter ausdehnen oder auch nicht, aber über kurz oder lang wird nichts Bemerkenswertes mehr darin existieren. Es ist geradezu lächerlich endlich.«
    »Auch der Mensch ist endlich.«
    »Zugegeben, Charles, aber der Mensch hat sich bereits über die Grenzen dieser bedauerlichen Erbschaft hinweggesetzt. Wir haben Begriffe geschaffen, die das Universum, in dem wir leben, recht klein erscheinen lassen.«
    »Zahlen, nehme ich an.«
    »Richtig, Zahlen«, sagte Rogge ungerührt. »Transfinite Zahlen. Zahlen, die größer sind als die Unendlichkeit. Und wir leben in einem Universum, wo sie anscheinend keine Bedeutung haben. Es ist irgendwie unangemessen, finde ich. Wie wenn man einen Erwachsenen in einen Kinderwagen zwängen

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