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Titan 01

Titan 01

Titel: Titan 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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wollte.«
    Ich warf einen Blick zum Radio hinüber. »Mir kommt die Menschheit augenblicklich nicht sehr erwachsen vor.«
    »Oh, die wenigsten Menschen sind richtig erwachsen in diesem Sinn, Charles. Aber einige wenige Männer haben bewiesen, wozu unsere Rasse imstande ist. Zum Beispiel Cantor: Er hat durch seinen Geist die Grenzen des Universums gesprengt. Er schuf ein Reich von Zahlen, die sich logisch aus den Zahlen ergeben, die für unser beschränktes Universum relevant sind. Und dann stellte er fest, daß es in diesem Universum nichts gab, für das diese Zahlen stehen konnten. Was bedeuten würde, daß derjenige, der das Universum schuf, weniger Mathematik konnte als Cantor! Ist das nicht lächerlich?«
    »Ich will mich dazu nicht äußern«, sagte ich. »Aber du bist doch irgendwie religiös, George. Grenzt das nicht an Blasphemie?«
    »Rede keinen Unsinn. Ganz offensichtlich hat in der Schöpfung ein Mathematiker die Hand im Spiel gehabt, und, nach dem Resultat zu schließen, muß es ein guter Mathematiker gewesen sein. Natürlich wußte Er über die transfiniten Zahlen Bescheid; jene Beschränkung muß beabsichtigt sein. Und ich glaube, ich habe herausbekommen, was für eine Absicht das war.«
    Jetzt kam natürlich die große Offenbarung. Programmgemäß begann Rogge in seiner Jackettasche zu graben. Ich lehnte mich zurück und wartete, was da kam. Endlich brachte er ein schmuddeliges Stück Papier zum Vorschein – das Fragment eines Suppenpäckchens.
    »Ich werde dir zuerst einige Grundlagen vermitteln müssen, fürchte ich«, sagte er und entfernte den Zettel aus meiner Reichweite, als ich mich neugierig vorbeugte. »Mit den transfiniten Zahlen kann man nicht umgehen wie mit den endlichen. Man kann sie nicht auf die übliche Weise addieren, subtrahieren, multiplizieren oder dividieren. Genaugenommen ist die einzige Möglichkeit, eine solche Zahl zu verändern, ihre Potenzierung mit sich selbst.«
    »Ich langweile mich bereits«, sagte ich.
    »Zweifellos, aber du wirst zuhören, weil dir nichts anderes übrigbleibt.« Er grinste mich durch den Zigarrenrauch an, und ich begann mich etwas ungemütlich zu fühlen. Hatte der alte Knabe am Ende unser System durchschaut, nach dem er reihum mit einem Zuhörer versorgt wurde, damit die anderen Ruhe hatten? »Ich will jedenfalls versuchen, dir die Sache etwas zu verdeutlichen. Nimm einmal an, die gewöhnlichen Zahlen änderten ihr Verhalten, so daß null hoch null nicht mehr null ergibt, sondern eins. Eins hoch eins würde dann zwei geben; zwei zum Quadrat wäre drei; drei zur dritten wäre vier und so weiter. Jede andere Rechenoperation würde nicht weiterführen: drei multipliziert mit zwei bliebe drei, und 63 mal zehn ist immer noch 63. Wenn sich die gewöhnlichen Zahlen so verhielten, würdest du anfangs nicht mehr damit zurechtkommen, dich aber dann an die Regeln gewöhnen.
    Die transfiniten Zahlen verhalten sich nun aber tatsächlich so. Die erste ist Aleph‐null, was, wie ich schon sagte, die Kardinalzahl aller abzählbar unendlichen Mengen ist. Wenn du das mit sich selbst multiplizierst, bekommst du Aleph‐eins. Aleph‐eins hoch Aleph‐eins gibt Aleph‐zwei. Kannst du mir folgen?«
    »Mit Mühe. Aber laß jetzt einmal mich dein Gehirn strapazieren. Was zählen diese Zahlen?«
    Rogge lächelte mitleidig. »Zahlen«, antwortete er. »Du wirst dich schon mehr anstrengen müssen, Charles.«
    »Du sagtest, Aleph‐null sei die Kardinalzahl von – von allen abzählbar unendlichen Mengen, richtig? Schön, wovon ist Aleph‐eins die Kardinalzahl?«
    »Von der Menge der reellen Zahlen. Sie wird auch R genannt oder Mächtigkeit des Kontinuums. Unglücklicherweise scheint das Kontinuum, wie wir es kennen, keinen Bedarf dafür zu haben.«
    »Und Aleph‐zwei?«
    »Ist die Kardinalzahl der Menge aller einwertigen Funktionen.«
    »Schön.« Ich war seinen Ausführungen mit beträchtlichem innerem Triumph gefolgt. Es hieß, daß Rogge erbärmlich einfach in die Falle zu locken ist, wenn man sich die Mühe nimmt, seine Bücher zu lesen, und wenn man seine Lieblingshypothesen kennt. Beides traf bei mir zu. »Mir scheint, du hast deine eigene Argumentation zunichte gemacht. Erst behauptest du, daß diese transfiniten Zahlen für nichts im realen Universum stehen. Und dann gehst du her und erklärst mir der Reihe nach, wofür sie sehen.«
    Rogge schaute einen Augenblick lang betroffen drein, und ich wollte mich schon wieder dem Radio zuwenden. Aber ich hatte seinen

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