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Titan 05

Titan 05

Titel: Titan 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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sich um die Lenkstange seines Fahrrads gekrampft. Rachegefühle waren in ihm aufgestiegen.
    »Teresa, wenn du jedem erzählst, daß ich noch einen Nebenverdienst habe, werde ich niemals einen Psychiater bekommen. Diesmal hast du bloß das bekommen, was du verdient hast.«
    Der Stoff ihres Rocks raschelte. In Gedanken sah er, wie sie sich zur Wand hin drehte. Sie war dunkeläugig und zerbrechlich.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Du hast recht. Es tut mir leid.«
    Er drehte ihr noch immer den Rücken zu. Er hatte Angst vor dem kleinen Schauer, den der Anblick ihres Blutes bei ihm auslösen würde. Er verbarg sein Gesicht in den Händen.
    »Ich wünschte, ich bräuchte dir dies nicht anzutun. Du weißt, daß ich versuche, es dir nicht anzutun.«
    »Ich verstehe. Du solltest jetzt besser zur Arbeit gehen, Morgan. Es wird langsam spät.«
    »Du bist so gut zu mir!«
    »Bitte geh jetzt, Morgan!«
    Er warf seinen Poncho über. In der Tür blieb er stehen.
    »Ich bringe dir was mit. Hast du irgendeinen besonderen Wunsch?«
    »Du brauchst mir nichts mitzubringen.«
    »Ich möchte aber!«
    »Dann such selbst was aus.«
    Jedesmal, wenn er sie geschlagen hatte, überkam ihn Ruhe. Bald darauf würde er sich schuldig fühlen, aber im Moment verspürte er keinerlei Regung. Er wählte zwei Nummern auf der Wählscheibe einer Schaltkonsole, und die Aufzugstür öffnete sich. Im Kellergeschoß des Wohnturms suchte ein Selektor sein Rad heraus und beförderte es in einen zweiten Aufzug. Als er den Haupteingang erreichte, stand sein Rad schon da.
    »Guten Abend«, sagte die Tür. »Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.«
    Er stieg auf sein Fahrrad und fuhr langsam durch die Straßen von Philadelphia. Er kümmerte sich kaum um den Verkehr. Er wollte irgendwo anders sein.
    Ich habe es zur Hälfte geschafft, dachte er. Noch zwei Jahre, und ich habe genug Geld gespart, um den Assistenten eines Psychiaters bestechen zu können. Wenn ich nur diesen Job nicht verliere oder vorher jemanden umbringe! Ich bin froh, daß ich Teresa habe. Sie ist eine Heilige. Wenn sie nicht wäre, würde ich wildfremde Frauen mißhandeln. Sie hat mich bisher vor dem Gefängnis bewahrt.
    Er fuhr jetzt an dem Kaffeehaus vorbei, das Teresa so sehr liebte. Es war ein großes, lautes Kaffeehaus, hauptsächlich für Künstlervolk. Teresa glaubte noch immer, sie wäre eine große Malerin geworden, wenn sie ihn nicht geheiratet hätte. Er wollte nicht, daß sie sein Geld für Malunterricht ausgab. Außerdem schrieb sie immer noch Gedichte, was ihr wenigstens eine gewisse Befriedigung zu verschaffen schien.
    Die Straßen waren voll von Fahrrädern und Menschen in farbenprächtigen, ausgefallenen Kleidern, Menschen, die redeten, Menschen, die dahin und dorthin eilten, Menschen, die getrieben wurden von übermächtigen Kräften in ihnen, deren sie sich bewußt waren, aber denen sie keinen Widerstand entgegensetzen konnten.
    Würde es jemals genügend Psychiater geben? Sein Fall war dringend, und doch konnte er sich nicht einmal eine Diagnose stellen lassen. Erst wenn er jemanden umbrächte, würde man ihn vielleicht einer psychiatrischen Behandlung unterziehen lassen, aber wahrscheinlich würde er erst einmal zwanzig Jahre im Gefängnis verbringen müssen.
    O ja, sie bildeten jedes Jahr zweihundert Psychiater aus. Jeder junge Mann, der Geld verdienen wollte, bemühte sich, Psychiater zu werden. Aber es war ein schwieriger Beruf, und nur eine kleine Minderheit hatte die latente Begabung dazu, und darüber hinaus dauerte jede Behandlung Jahre. Und das bei zweihundert Millionen Menschen im ganzen Land, von denen jeder nach psychischer Gesundheit und Stabilität hungerte.
    Jeder Psychiater war das Ziel eines unbarmherzigen Wettkampfes. Seine Dienste kamen jenen zugute, die Macht besaßen, die Geld und Einfluß hatten.
    Er radelte jetzt durch das Vergnügungsviertel und stellte sein Rad neben dem Huxley‐Himmel ab. Der Mann von der Nachmittagsschicht sah gelangweilt aus und startbereit.
    »Wie war deine Schicht?« fragte Morgan.
    »Nichts Besonderes. Eine Menge Wiederholer und Laufkunden. Keine Abschüsse. Ich wünschte, ich hätte deine Schicht. Du hast so ziemlich die besten zwei Stunden.«
    »Ich habe in der letzten Zeit selbst nicht allzuviel Glück gehabt.«
    »Daran sind diese Humanisten und Ästheten schuld. Und die mit dem religiösen Tick. Alle hacken sie auf uns herum.«
    »Bis auf die Kunden. Man kann noch ganz gut davon leben.«
    »Ich kann nicht klagen. Viel

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