Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Titan 09

Titan 09

Titel: Titan 09 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
würden hier wohl auch nicht viel weiterhelfen. Es fehlen zu viele Faktoren. Wir können uns keine Welt vorstellen, die auf dem X-Faktor basiert – eine Umgebung, die den in X-Mustern denkenden Gehirnen angepaßt ist. Dieses leuchtende Netzwerk im Innern der Puppe. Es könnte alles mögliche sein. Es könnte in unserem eigenen Innern existieren, obwohl wir es bisher noch nicht entdeckt haben. Wenn wir die richtige Stelle finden…« Er zuckte die Achseln. »Was halten Sie von diesem Ding da?«
    Es war eine blutrote Kugel, fünf Zentimeter im Durchmesser, mit einer Beule auf der Oberfläche.
    »Was könnte überhaupt jemand davon halten?«
    »Scott? Emma?«
    »Ich habe es zum erstenmal vor drei Wochen gesehen. Damals begann Emma, damit zu spielen.« Paradine biß sich auf die Unterlippe. »Danach fand auch Scott Interesse daran.«
    »Was machen sie damit?«
    »Sie halten es vor sich und bewegen es hin und her. Kein besonderes Bewegungsmuster.«
    »Kein euklidisches Muster«, korrigierte Holloway. »Am Anfang konnten sie den Sinn der Spielsachen nicht erkennen. Sie mußten dafür ausgebildet werden.«
    »Das ist ja schrecklich«, sagte Jane.
    »Nicht für sie. Emma versteht X wahrscheinlich schneller als Scott, denn ihr Verstand ist noch nicht für diese Umgebung konditioniert.«
    Paradine sagte: »Aber ich kann mich an eine Menge Sachen erinnern, die ich als Kind tat. Selbst als Säugling.«
    »Und?«
    »War ich… damals… verrückt?«
    »Die Sachen, an die Sie sich nicht erinnern, sind das Merkmal Ihrer Verrücktheit«, gab Holloway zurück. »Aber ich benutze das Wort ›Verrücktheit‹ ausschließlich als passendes Symbol für Abweichungen von der bekannten menschlichen Norm. Das Durchschnittsniveau geistiger Gesundheit.«
    Jane stellte ihr Glas ab. »Sie sagten, induktive Schlußfolgerungen seien schwierig, Mr. Holloway. Aber ich habe den Eindruck, Sie ziehen sehr viele solcher Schlußfolgerungen aufgrund sehr weniger Tatsachen. Alles in allem sind diese Spielsachen…«
    »Ich bin Psychiater, und ich habe mich auf Kinder spezialisiert. Ich bin kein Laie. Diese Spielsachen sagen eine Menge, und hauptsächlich deshalb, weil sie so wenig sagen.«
    »Sie könnten sich irren.«
    »Nun, ich hoffe, ich irre mich. Ich würde die Kinder gern untersuchen.«
    Jane hob die Arme. »Wie?«
    Nachdem Holloway es erklärt hatte, nickte sie, wenn auch immer noch widerstrebend. »Nun ja, in Ordnung. Aber sie sind keine Versuchskaninchen.«
    Der Psychiater fächelte mit seiner plumpen Hand in der Luft. »Meine Liebe! Ich bin kein Frankenstein. Für mich ist das Individuum der wesentliche Faktor – natürlicherweise, denn ich habe mit dem Verstand der Leute zu tun. Wenn mit den Kindern irgend etwas nicht in Ordnung ist, möchte ich sie gern heilen.«
    Paradine legte seine Zigarette ab und sah der blauen Rauchspirale nach, die in einem kaum wahrnehmbaren Lufthauch davonzog. »Können Sie eine Prognose geben?«
    »Ich will es versuchen. Das ist alles, was ich versprechen kann. Wenn der unentwickelte Verstand sich in den X-Kanal gewendet hat, ist es notwendig, ihn zurückzudirigieren. Ich sage nicht, daß es die klügste Methode ist, aber gemessen an unseren Maßstäben ist sie es. Schließlich müssen Emma und Scott in dieser Welt leben.«
    »Ja, ja. Ich glaube nicht, daß mit ihnen ernsthaft etwas nicht stimmt. Sie scheinen doch in etwa durchschnittlich zu sein, völlig normal.«
    »Oberflächlich mögen sie so scheinen. Sie haben keinen Grund, sich abnormal zu verhalten, oder? Und wie können Sie es merken, wenn sie – anders denken?«
    »Ich rufe sie«, sagte Paradine.
    »Machen Sie es ganz ungezwungen. Ich will nicht, daß sie gewarnt sind.«
    Jane deutete mit einer Kopfbewegung auf die Spielsachen. Holloway sagte: »Lassen Sie die Sachen da liegen.«
    Als Emma und Scott hineingerufen worden waren, machte der Psychologe nicht sofort den Versuch, direkte Fragen zu stellen. Ihm gelang es, Scott ganz unauffällig in ein Gespräch zu ziehen, in dem er ab und zu Schlüsselworte fallen ließ. Nichts Eindeutiges wie ein Wort-Assoziations-Test – dafür ist die Bereitschaft zur Zusammenarbeit nötig.
    Die interessanteste Entwicklung ergab sich, als Holloway den ›Abakus‹ in die Hand nahm. »Wärst du so nett, mir zu zeigen, wie er funktioniert?«
    Scott zögerte. »Ja, Sir. So…« Er führte eine Kugel in verworrenen Bahnen durch das Labyrinth; das geschah so schnell, daß niemand völlig sicher war, ob sie schließlich

Weitere Kostenlose Bücher