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Titan 09

Titan 09

Titel: Titan 09 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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abgeleckt.«
    »Na ja, die Zunge dieses Airdale-Terriers ist weit sauberer als es deine Ohren sind«, dachte Jane laut, während sie die Ohren kurz prüfte. »Jedenfalls ist der Dreck nur oberflächlich, solange du hören kannst.«
    »Fläschisch?«
    »Nur ein bißchen, heißt das.« Jane zog ihre Tochter zum Tisch und rückte ihre Beine auf einem hohen Stuhl zurecht. Erst seit kurzem genoß Emma den Vorzug, gemeinsam mit der übrigen Familie zu essen. Dadurch, so pflegte Paradine zu bemerken, wurde sie vom Stolz aufgefressen. Nur Babys spuckten ihr Essen aus, hatte man Emma erzählt. Als Folge davon bemühte sie sich mit so großer Gewissenhaftigkeit, ihren Löffel zum Mund zu führen, daß Paradine jedesmal kribbelig wurde, wenn er sie beobachtete.
    »Ein Förderband wäre genau das richtige für Emma«, schlug er vor, während er einen Stuhl für Jane heranzog. »Kleine Eimer mit Spinat, die in regelmäßigen Abständen vor ihrem Gesicht landen.«
    Das Abendessen ging ereignislos vonstatten, bis Paradine zufällig einen Blick auf Scotts Teller warf. »Hee, du. Krank? Beim Mittagessen zu vollgestopft?«
    Scott untersuchte nachdenklich das Essen, das noch vor ihm stand. »Ich habe alles gegessen, was ich brauchte«, erklärte er.
    »Gewöhnlich ißt du soviel du nur eben kannst, und sogar eine ganze Menge mehr«, sagte Paradine. »Ich weiß, daß heranwachsende Knaben täglich Tonnen von Essen brauchen, aber du liegst heute abend darunter. Fühlst du dich okay?«
    »Mhmm. Ehrlich, ich habe alles, was ich brauche.«
    »Auch alles, was du willst?«
    »Sicher. Ich esse anders.«
    »Haben sie dir das in der Schule beigebracht?« wollte Jane wissen.
    Scott schüttelte ernst den Kopf.
    »Das hat mir niemand beigebracht. Ich habe es selbst rausgefunden. Ich benutze Spucke.«
    »Versuch’s noch mal«, schlug Paradine vor. »Das war das falsche Wort.«
    »Hm… S-Speichel, Mmm?«
    »Mhmm. Mehr Säure? Ist im Speichel mehr Säure, Jane. Ich erinnere mich nicht.«
    »In meinem ist Gift«, bemerkte Jane. »Rosalie hat wieder Klumpen im Kartoffelpüree gelassen.«
    Aber Paradines Interesse war geweckt. »Du meinst, du holst alles aus deinem Essen heraus – nichts wird verschwendet – und ißt dann weniger?«
    Scott dachte darüber nach. »Ich glaube schon. Es ist nicht nur Spu… Speichel. Irgendwie messe ich ab, wieviel ich auf einmal in den Mund nehme, und womit ich es dann mischen muß. Weiß nicht. Ich tu’ es halt.«
    »Hmmm«, sagte Paradine und machte sich eine Notiz, um es später genauer zu prüfen. »Eine ziemlich revolutionäre Idee.« Kinder hatten oft verrückte Einfälle, aber dieser schien gar nicht so dumm zu sein. Er schürzte die Lippen. »Irgendwann, so nehme ich an, essen die Menschen ganz anders. Ich meine ihre Art zu essen, ebenso wie was. Was sie essen, meine ich. Jane, unser Sohn zeigt Anzeichen dafür, daß er ein Genie wird.«
    »Was?«
    »Ernährungswissenschaftlich hat er gerade eine gute Sache gebracht.
    Hast du dir das selbst ausgedacht, Scott?«
    »Sicher«, sagte der Junge, und er glaubte es auch.
    »Wie kamst du auf die Idee?«
    »Oh, ich…« Scott wand sich. »Ich weiß nicht. Sie bedeutet wohl nicht viel, glaube ich.«
    Paradine war übertrieben enttäuscht. »Aber sicher…«
    »S-s-s-spucke!« kreischte Emma in einem plötzlichen Anfall von Unartigkeit. »Spucke!« Sie versuchte, es vorzuführen, aber das endete damit, daß sie ins Lätzchen sabberte.
    Mit einem Ausdruck von Resignation half Jane ihrer Tochter und tadelte sie zugleich, während Paradine mit ziemlich verblüfftem Interesse zusah. Aber erst nach dem Abendessen, im Wohnzimmer, geschah wieder etwas.
    »Irgendwelche Hausaufgaben?«
    »N-Nein«, sagte Scott und errötete schuldbewußt. Um seine Verlegenheit zu verbergen, holte er ein Gerät, das er in dem Behälter gefunden hatte, aus der Tasche und begann es aufzuklappen. Das Ergebnis ähnelte einem Tesserakt, der mit Kugeln behangen war. Paradine sah ihn zuerst nicht, aber Emma bemerkte ihn. Sie wollte damit spielen.
    »Nein. Leg das hin, Schnecke«, befahl Scott. »Paß auf, was ich damit mache.« Er betastete die Kugeln und erzeugte weiche, Aufmerksamkeit erregende Töne. Emma streckte einen dicken Zeigefinger aus und jauchzte.
    »Scotty«, sagte Paradine warnend.
    »Ich habe ihr nicht weh getan.«
    »Doch, hast du«, maulte Emma.
    Paradine schaute auf. Er runzelte die Stirn. Was, zum Teufel… »Ist das ein Abakus?« fragte er. »Zeig es mir, bitte.«
    Widerstrebend

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