Titan 11
zwang sich zu einem schiefen Lächeln. »Guten Nachmittag.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, maulte der Fahrer, lehnte sich auf sein Rad und stocherte trübselig in den Zähnen herum. »Jeder Tag bringt uns dem Grab näher.«
»Das mag schon sein«, stimmte Bidworthy zu, der sich in diesem Moment nicht über diesen trübseligen Aspekt unterhalten wollte. »Aber ich habe andere Sorgen, und…«
»Es hat nicht viel Sinn, sich über irgend etwas zu sorgen, sei es die Vergangenheit oder die Gegenwart«, riet der Fahrer, »denn wer sich Sorgen macht, wird noch viele weitere dazubekommen.«
»Vielleicht«, meinte Bidworthy, der inbrünstig spürte, daß es jetzt nicht an der rechten Zeit war, über die dunklen Seiten des menschlichen Daseins zu philosophieren. »Aber ich ziehe es vor, mich mit meinen eigenen Sorgen allein zu beschäftigen, zur rechten Zeit, und so, wie ich es für richtig halte.«
»Die Sorgen eines Menschen sind niemals völlig seine eigenen«, widersprach der hartnäckige Fahrer orakelhaft. »Auch lebt ein Mensch nicht allein, und so kann er sie allein nicht lösen. Nicht wahr?«
»Das weiß ich nicht, und es interessiert mich auch nicht«, sagte Bidworthy, dessen Geduld im gleichen Maße zu Ende ging, wie sein Blutdruck stieg. Er war sich sehr wohl bewußt, daß Gleed und seine Männer zusahen und zuhörten und wahrscheinlich im stillen über ihn lachten. Und da waren noch die Passagiere, die ihn verblüfft anstarrten. »Ich glaube, Sie schwätzen nur so ein Zeug, um mich hinzuhalten. Aber Sie wissen genauso gut wie ich, daß Sie damit keinen Erfolg haben werden. Der Botschafter der Erde wartet…«
»Wir auch«, bemerkte der Fahrer.
»Er will Sie sprechen«, fuhr Bidworthy fort, »also wird er Sie auch sprechen!«
»Ich wäre der letzte, der ihn daran hindert. Hier herrscht ja Redefreiheit. Er soll herkommen und seinen Spruch aufsagen, damit wir endlich weiterfahren können.«
»Sie«, klärte Bidworthy ihn auf, »werden zu ihm gehen.« Er deutete auf den Bus. »Und Ihre Passagiere ebenfalls.«
»Ich nicht«, weigerte sich ein dicker Mann, der den Kopf aus einem Seitenfenster steckte. Er trug eine Brille mit dicken Gläsern, unter denen seine Augen wie verlorene Eier aussahen; ein weißrosa gestreifter Zylinder saß auf seinem Kopf. »Ich gehe nicht mit«, wiederholte er mit fester Stimme.
»Ich auch nicht«, erklärte der Fahrer.
»In Ordnung«, sagte Bidworthy drohend. »Wenn Sie diesen Vogelkäfig auch nur um einen Zentimeter vorwärts oder rückwärts fahren lassen, werden wir ihre Luftballonreifen in Fetzen schießen. Und jetzt steigen Sie aus!«
»Nein. Ich hab’s ganz bequem hier. Versuchen Sie doch mal, mich herauszuholen!« Bidworthy winkte sechs seiner Männer herbei. »Ihr habt ihn gehört – nehmt ihn beim Wort!« Die Männer rissen die Tür auf und packten den Fahrer. Wenn sie erwartet hatten, ihr Opfer leiste heftigen Widerstand, so sahen sie sich getäuscht. Der Fahrer machte keine Anstrengung, sich zu widersetzen. Sie ergriffen ihn, schrien »Hau‐ruck!« und zogen ihn bis zum Bauch aus der Tür, während er freundlich lächelnd zusah.
Weiter heraus bekamen sie ihn allerdings nicht.
»Kommt schon«, drängte Bidworthy ungeduldig. »Zeigt ihm, wer hier das Sagen hat. Er ist doch nicht festgeleimt.«
Einer der Männer kletterte über den Fahrer hinweg und sah sich um. »Anscheinend doch«, sagte er.
»Was soll das heißen?«
»Er ist an das Lenkrad angekettet.«
»He? Lassen Sie mich mal sehen.«
Der Soldat hatte die Wahrheit gesprochen. Eine Kette und ein kleines, aber schweres und kompliziertes Schloß verbanden das Bein des Fahrers mit dem Bus.
»Wo ist der Schlüssel?«
»Durchsuchen Sie mich doch!« forderte der Fahrer ihn grinsend auf.
Genau das taten sie. Erfolglos. Der Schlüssel war nicht zu finden.
»Wer hat den Schlüssel?«
»Meiob!«
»Schaffen Sie ihn zum Sitz zurück!« befahl Bidworthy wütend. »Wir nehmen die Passagiere mit. Ich glaube, einer ist genauso gut wie der andere.« Er ging zur Tür und riß sie auf. »Los, gehen Sie schon!«
Niemand gehorchte. Sie betrachteten ihn schweigend und mit den unterschiedlichsten Gesichtsausdrücken, von denen keiner allzu schmeichelhaft war. Der dicke Mann mit dem gestreiften Zylinder grinste ihn sardonisch an. Bidworthy kam zu dem Schluß, daß er ihn nicht mochte und ein wenig militärischer Drill ihm helfen könnte, sein Übergewicht zu reduzieren.
»Sie können mit den Füßen zuerst
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