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Titan 13

Titan 13

Titel: Titan 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
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Treppenstufen konnte man zwar gut stehen, aber sich ganz bestimmt nicht schnell bewegen.
    Soweit Amalfi das abschätzen konnte, führten die Treppenstufen in sanftem Bogen an der äußeren Krümmung der Tempelkuppe entlang und folgten einer eineinhalbfachen Schraube bis zur Spitze. Warum? Es war doch anzunehmen, daß die Büttel einen Grund hatten, eine so lange Treppe zu bauen, selbst wenn sie es gewöhnt waren, sich von Sklaven tragen zu lassen. Warum befand sich die Sternkammer nicht unter der Kuppel, dort, wo auch die Spindizzies waren?
    Amalfi hatte gerade die erste Kehre hinter sich gebracht, als ihm ein guter Grund dafür einfiel. Durch die Ritzen in der Kuppel war Stimmengewirr zu hören; offensichtlich versammelte sich dort unten eine Gemeinde. Während Amalfi weiter die flache Spirale nach oben hetzte, wurde das Murmeln immer deutlicher, bis er einzelne Stimmen unterscheiden konnte. Dort oben, wo sich in mathematischem Sinne der Scheitelpunkt der Kuppel befand und wo der Boden der Sternkammer liegen mußte, hatte der Architekt des Tempels offensichtlich eine Flüstergalerie konstruiert – eine Stelle, an die ein Büttel sein Ohr legen und jede Silbe verschwörerischer Gespräche unten mitanhören konnte.
    Amalfi mußte zugeben, daß das genial war. Verschwörer neigen im allgemeinen dazu, Kirchen als sichere Orte für verschwörerische Gespräche zu halten. In Amalfis Universum – denn die Erde hatte er nie gesehen – befand sich wahrscheinlich auf jedem Planeten, auf dem es Kirchen gab, auch eine Revolution in Vorbereitung.
    Keuchend hetzte er den letzten Bogen der langen Wendeltreppe nach oben. Jetzt stand er vor einer verschlossenen Doppeltür, die mit herrlichen pseudobyzantinischen Ornamenten verziert war. Er nahm sich nicht die Zeit, sie zu bewundern, sondern trat unter den zwei offenbar synthetischen Saphiren über ihrer Mitte kräftig dagegen. Sie sprang auf.
    Die Enttäuschung ließ ihn einen Augenblick lang innehalten. Die Kammer hatte die Form einer Ellipse, war mönchisch karg und nur mit einem schweren hölzernen Tisch und neun Sesseln möbliert, die jetzt an der Wand standen. Es gab hier keine Steuerorgane und auch keinen Ort, wo solche verborgen sein konnten. Die Kammer hatte keine Fenster.
    Das Fehlen von Fenstern verriet ihm, was er wissen wollte. Der andere, der zwingende Grund, weshalb die Sternkammer sich oben auf der Tempelkuppel befand, war, daß sie irgendwo die Steuerkanzel der IMT beherbergte. Und das bedeutete in einer Stadt, die so alt war wie die IMT, daß es auf die Sicht ankam – und das erforderte, daß die Kanzel sich oben auf dem höchsten Gebäude der Stadt befinden mußte. Also war er noch nicht weit genug oben.
    Er blickte zur Decke. Eine der mächtigen Steinplatten hatte eine halbkreisförmige Vertiefung, nicht viel größer als eine große Münze. Die Stelle war ziemlich abgenutzt.
    Amalfi lächelte und sah unter den hölzernen Tisch. Und wie erwartet fand er eine Stange mit einem Haken an der Spitze, wie eine Hellebarde. Er ergriff die Stange, richtete sich auf und schob den Haken in die Öffnung im Stein.
    Die Steinplatte ließ sich ganz leicht herunterklappen. Das freie Ende der Steinplatte reichte fast bis auf den Tisch. Amalfi sprang auf die Tischplatte und rannte die schräge Steinfläche hinauf; als er sich der Spitze näherte, löste sein Gewicht irgendwo ein Gegengewicht aus. Die Platte schloß sich wieder und trug ihn mit sich in die Höhe.
    Er befand sich in der Steuerkanzel. Sie war eng und mit Armaturentafeln bedeckt, die alle unter einer dicken Staubschicht lagen. Bullaugen aus dickem Glas blickten in allen vier Himmelsrichtungen über die Stadt hinaus, und an der Decke befand sich ebenfalls eins. An einer der Armaturentafeln glühte eine grüne Lampe. Als er darauf zuging, erlosch sie.
    Das mußte Karst gewesen sein, der die Energiezufuhr abschaltete. Amalfi hoffte, daß der Bauer würde entfliehen können. Er mochte den jungen Mann. An seinem unbeirrbaren Mut und dem Heißhunger seiner brachliegenden Intelligenz war etwas, das den Bürgermeister an jemanden erinnerte, den er einmal gekannt hatte. Daß dieser ›Jemand‹ Amalfi selbst im Alter von fünfundzwanzig Jahren war, wußte Amalfi nicht, und es gab niemanden, der es ihm hätte sagen können.
    Spindizzies sind ihrem Wesen nach einfache Geräte; Amalfi bereitete es keine Schwierigkeiten, die Anlage in Gang zu setzen, noch war es schwer, ein paar der Einrichtungen zu sabotieren. Das Problem war,

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