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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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mehr Angst, als nur vor ›Bengeln‹. Die schauten auch nicht wie ›Bengel‹ aus.«
    »Wie sahen sie denn aus?«
    Mit geringem Erfolg versuchte ich die drei Gesichter zu beschrei
    ben. Ein vager Eindruck von Boshaftigkeit und Verweichlichung sagt schließlich nicht viel.
    »Also gut, kann sein, daß ich mich irre«, meinte der Polizist endlich. »Kennen Sie das Mädchen? Wissen Sie, wo sie wohnt?«
    »Nein«, log ich halb.
    Der andere Polizist legte den Hörer des Funkgeräts auf und kam zu uns herübergeschlendert, dabei trat er spielerisch nach den dünnen Fahnen des sich auflösenden Rauchs. Die schwarze Wolke verbarg jetzt nicht mehr die schäbigen Fassaden mit den fünf Jahre alten Strahlungsbrandnarben, und allmählich konnte man wieder den fernen Stumpf des Empire State Buildings erkennen, das wie ein verstümmeltes Fingerglied über Inferno herausragte.
    »Bisher haben wir sie noch nicht«, brummte der Polizist im Näherkommen. »Haben auf einer Strecke von fünf Häuserblocks alles mit Rauch verpestet, nach dem, was Ryan sagt.«
    Der Polizist neben mir schüttelte den Kopf. »Schlimm so was«, erklärte er feierlich.
    Ich schämte mich etwas und fühlte mich unbehaglich. Ein Engländer sollte schließlich nicht lügen, zumindest nicht ohne guten Grund.
    »Das scheinen Mistkerle zu sein«, fuhr der Polizist im selben Ton fort. »Wir werden Zeugen brauchen. Sieht fast so aus, als müßten Sie noch eine Weile länger in New York bleiben, Mister.«
    Der Hinweis entging mir nicht. Ich sagte: »Ich habe Ihnen ja noch gar nicht alle meine Papiere gezeigt« und gab ihm noch ein paar andere; dabei vergewisserte ich mich, daß ein Fünf-Dollar-Schein darunter war.
    Als er sie ein wenig später zurückreichte, hatte seine Stimme den bedenklichen Ton verloren. Meine Schuldgefühle schwanden. Zur Festigung unserer Beziehung schwätzte ich noch ein bißchen mit den beiden über ihre Arbeit.
    »Ich kann mir vorstellen, daß Ihnen die Masken ganz schön zu schaffen machen«, bemerkte ich. »Bei uns in England haben wir darüber gelesen, und daß Sie hier jetzt haufenweise maskierte Gangsterinnen haben.«
    »Das wird stark übertrieben«, versicherte mir der Polizist. »Das wirkliche Problem dagegen sind die Männer, die sich als Frauen verkleiden. Aber das sag’ ich Ihnen, wenn wir die kriegen, geht’s denen dreckig.«
    »Und man kommt soweit, daß man Frauen fast genauso herausfindet, als hätten sie nackte Gesichter«, bemerkte der andere Polizist. »Sie wissen schon – Hände und das alles.«
    »Besonders ›das alles‹«, stimmte ihm der erste vertraulich lachend zu. »Sagen Sie, ist es wahr, daß es drüben in England Mädchen gibt, die keine Masken tragen?«
    »Manche machen die Mode mit«, erläuterte ich. »Es sind aber nur wenige – eben die, die sich immer an die neueste Mode anpassen, und sei sie noch so extrem.«
    »In den britischen Nachrichten sind sie aber meistens maskiert.«
    »Das geschieht wohl aus Rücksicht auf den amerikanischen Geschmack«, bekannte ich. »In Wirklichkeit tragen nur wenige Masken.«
    Der andere Polizist ließ sich das offenbar genauer durch den Kopf gehen. »Mädchen, die vom Hals an aufwärts nackt durch die Straßen gehen…«, sagte er. Es war nicht klar ersichtlich, ob er diesem Phänomen mit Wonne oder moralischer Entrüstung entgegenblickte. Wahrscheinlich mit beidem.
    »Es gibt noch immer einige Abgeordnete, die das Parlament dazu bringen wollen, ein Gesetz zu erlassen, das das Tragen von Masken jeglicher Art verbietet«, fuhr ich, vielleicht ein wenig zu schwatzhaft, fort.
    Der andere Polizist schüttelte den Kopf. »Was für ein Gedanke! Wissen Sie, Masken sind wirklich eine feine Sache. Paar Jahre noch, und ich lasse meine Frau ihre auch zu Hause tragen.«
    Der erste Polizist zuckte die Achseln. »Wenn die Frauen auf einmal aufhörten, Masken zu tragen, würde man schon in sechs Wochen keinen Unterschied mehr merken. Man gewöhnt sich eben an alles, was die Leute tun oder nicht tun.«
    Voll Bedauern pflichtete ich ihm bei und verließ die beiden. Am Broadway (der ehemaligen Tenth Avenue, glaube ich) wandte ich mich nach Norden und ging zügig voran, bis ich Inferno hinter mir gelassen hatte. Wenn man durch solch ein Gebiet unentseuchter Radioaktivität kommt, ist einem immer ziemlich unbehaglich zumute. Ich dankte Gott, daß es in England so etwas bis jetzt noch nicht gibt.
    Die Straße war fast leer, doch ich wurde von ein paar Bettlern mit von H-Bombennarben

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