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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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mir helfen, und ich weine jetzt nicht mehr, und für dich und Mutter und Vater wird alles wieder gut werden, bestimmt.«
    »Sicher. Wir kommen schon klar.«
    Allmählich kamen die Worte ihres Bruders schwächer zu ihnen, und er stellte die Lautstärke auf den Höchstwert. »Er gerät jetzt in den Funkschatten«, erinnerte er sie. »Noch eine Minute, und er ist weg.«
    »Du bist kaum noch zu hören, Gerry«, sagte sie. »Du gerätst in den Funkschatten. Ich wollte dir noch sagen – aber jetzt kann ich’s nicht. Gleich müssen wir Abschied nehmen. Aber vielleicht sehe ich dich wieder. Vielleicht komme ich in deinen Träumen zu dir – mit Zöpfen, und ich weine dir was vor, weil das Kätzchen tot ist. Ich werde versuchen, zu dir zu kommen, vielleicht als Windhauch, vielleicht als nichts, was du sehen kannst, aber du wirst wissen, daß ich da bin, bei dir. Denk so an mich, Gerry, immer so und nicht – anders.«
    Durch die Umdrehung von Woden zu einem Flüstern herabgesunken kam die Antwort:
    »Immer nur so, Marilyn. Immer so und nie anders.«
    »Unsere Zeit ist zu Ende, Gerry. Ich muß jetzt gehen. Auf Wie…« Mitten im Wort brach ihre Stimme, und ihr Mund verzog sich krampfhaft zum Weinen. Sie preßte eine Hand dagegen, und als sie dann weitersprach, kamen ihre Worte klar und deutlich:
    »Auf Wiedersehen, Gerry.«
    Schwach und unsäglich traurig und zärtlich drangen die letzten Worte aus dem kalten Metall des Lautsprechers:
    »Auf Wiedersehen, meine kleine Schwester…«
    Bewegungslos saß sie in der darauffolgenden Stille da, als lauschte sie dem Echo der verklungenen Worte nach. Dann wandte sie sich von dem Funkgerät ab, ging zu der Luftschleuse und legte den schwarzen Hebel um. Die Innentür öffnete sich schnell und lautlos und zeigte die kahle kleine Zelle, und sie ging hinein.
    Sie ging mit erhobenem Haupt, die braunen Locken umspielten ihre Schultern, und sie ging so sicher und fest in ihren billigen weißen Plastiksandaletten, wie es die geringe Schwerkraft erlaubte; die Schnallen glitzerten, und die Glassteine leuchteten blau und rot und weiß. Er ließ sie ganz alleine gehen und machte keinen Versuch, ihr zu helfen, denn er wußte, das würde sie nicht wollen. Sie trat in die Luftschleuse und wandte ihm das Gesicht zu; nur der schnelle Pulsschlag an ihrem Hals verriet ihr wild hämmerndes Herz.
    »Ich bin bereit«, sagte sie.
    Er stieß den Hebel nach oben, und die rasch zugleitende Tür errichtete eine Trennwand zwischen ihnen. Für die letzten Augenblicke ihres Lebens war sie eingeschlossen in undurchdringliches Dunkel. Die Tür klickte beim Einrasten, und er riß den roten Hebel herunter. Eine leichte Erschütterung durchlief das Schiff, als die Luft der Schleuse entwich, ein leichtes Zittern der Wände, als hätte etwas das Schiff von außen gestreift. Dann war alles wie zuvor, und das Schiff fiel wieder mit konstanter Gleichmäßigkeit. Langsam schob er den roten Hebel zurück, der die Tür hinter der leeren Luftschleuse schloß, und wandte sich ab, ging mit den müden Schritten eines alten erschöpften Mannes zu seinem Kommandosessel zurück.
    Dort betätigte er unverzüglich den Signalknopf für den Normalraumtransceiver. Keine Antwort; er hatte auch keine erwartet. Ihr Bruder würde die Nacht hindurch warten müssen, bis die Planetenumdrehung wieder den Kontakt mit Gruppe Eins ermöglichte.
    Noch war es nicht Zeit, den Bremsvorgang wieder aufzunehmen, und er wartete, während das Schiff endlos mit ihm auf den Planeten zu fiel, die Triebwerke schwiegen. Er sah, daß die Nadel auf dem Indikator wieder auf Null stand. Es war kein lebendiges Wesen mehr an Bord außer ihm. Eine erbarmungslose Gleichung war korrigiert. Irgendwo in der Nähe schwebte etwas Formloses, Häßliches auf Woden zu, wo ein Bruder die Nacht durchwachte; aber die Gegenwart des Mädchens, das nichts von den Kräften wußte, die ohne Haß und Bosheit töten, lebte noch eine Weile in dem leeren Schiff weiter. Fast schien es, als säße sie noch immer klein und verstört und voller Angst auf der Stahlkiste neben ihm, und wie ein geisterhaftes Echo in der Leere, die sie hinterlassen hatte, meinte er deutlich ihre Worte zu vernehmen:
    Ich habe doch nichts getan, wofür ich sterben müßte… Ich habe doch nichts getan…
     
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Franziska Zinn
     

Dem Prediger die Rose
    (A ROSE FOR ECCLESIASTES)
     
ROGER ZELAZNY
     
     
1
     
    An dem Morgen, an dem ich für akzeptabel befunden wurde, war ich damit

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