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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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beschäftigt, eines meiner Makabren Madrigale ins Marsianische zu übersetzen. Die Sprechanlage hatte einen kurzen Summton von sich gegeben, ich ließ den Bleistift fallen und legte noch mit der gleichen Bewegung den Sprechknopf um.
    »Mister G«, ertönte Mortons jugendliche Stimme, »der Alte hat gesagt, ich soll mir sofort ›den verdammten überspannten Versemacher‹ schnappen und ihn in seine Kabine schicken. Da es hier nur einen ›verdammten überspannten Versemacher‹ gibt…«
    »Laß nicht den Ehrgeiz deine Kreise stören.« Ich schaltete ab.
    Die Marsianer hatten es sich also endlich überlegt! Ich klopfte drei Zentimeter Asche von einem schwelenden Stummel und nahm den ersten Zug seit dem Anzünden. Die Erwartung eines ganzen Monats versuchte sich in diesen einen Augenblick zu drängen, schaffte es aber nicht ganz. Ich hatte richtiggehend Angst, diese fünfzehn Meter zu gehen und von Emory die Worte zu hören, die – wie ich ganz genau wußte – er sagen würde; dieses Gefühl schob jedes andere in den Hintergrund.
    Also übersetzte ich den Gesang, an dem ich arbeitete, noch zu Ende, ehe ich aufstand.
    Bis zu Emorys Tür brauchte ich nur ein paar Sekunden. Ich klopfte zweimal und öffnete sie in dem Moment, als er »Herein« brummte.
    »Sie wollen mich sprechen?« Ich setzte mich schnell hin, um ihm die Mühe zu ersparen, mir einen Platz anzubieten.
    »Das ist aber schnell gegangen. Sie werden doch nicht gelaufen sein?«
    Ich musterte sein Gesicht, das väterliche Unzufriedenheit ausdrückte; kleine fettige Flecke unter blassen Augen, schütteres Haar, eine irische Nase, eine Stimme, die um ein Decibel lauter war als die eines jeden anderen…
    Hamlet zu Claudius: »Ich habe gearbeitet.«
    »Ha!« rief er. »Machen Sie mir nichts vor. Keiner hat Sie je arbeiten sehen.«
    Ich zuckte die Achseln und schickte mich an aufzustehen. »Wenn Sie mich deswegen haben rufen lassen…«
    »Setzen Sie sich hin!«
    Er stand auf und kam um seinen Schreibtisch herum. Dann stand er über mir und funkelte auf mich hernieder. (Ziemlich schwierig, selbst wenn ich auf einem niedrigen Stuhl sitze.)
    »Sie sind ganz ohne Zweifel der widerlichste Bursche, mit dem ich je zusammenarbeiten mußte!« brüllte er wie ein Büffel, den man in den Sack getreten hat. »Warum, zum Teufel, verhalten Sie sich eigentlich nicht wie ein Mensch und überraschen uns mal? Ich gebe ja zu, daß Sie clever sind, vielleicht sogar ein Genie, aber… ach was, hol’s der Teufel!« Er machte eine hilflose Bewegung mit beiden Händen und ging zu seinem Stuhl zurück.
    »Betty hat die Leute endlich überredet, daß sie Sie hineinlassen.« Seine Stimme klang wieder normal. »Die wollen Sie heute nachmittag empfangen. Nehmen Sie sich nach dem Mittagessen einen von den Jeepsters und fahren Sie hinüber.«
    »Okay«, sagte ich.
    »Das wäre dann alles.«
    Ich nickte, stand auf. Ich hatte die Hand schon am Türknopf, als er noch sagte:
    »Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, wie wichtig das ist. Behandeln Sie die drüben nicht so, wie Sie uns behandeln.«
    Ich schloß die Tür hinter mir.
    Ich weiß nicht, was ich zu Mittag aß. Ich war nervös, dabei wußte ich instinktiv, daß alles glatt über die Bühne gehen würde. Mein Verlag in Boston erwartete eine Marsidylle oder zumindest eine Art SaintExupery-Buch über den Raumflug, und die National Science Association wollte einen ausführlichen Bericht über Aufstieg und Fall des marsianischen Reiches.
    Beide würden zufrieden sein. Das wußte ich.
    Hierin lag auch der Grund, weshalb alle so eifersüchtig auf mich sind, weshalb sie mich so hassen. Ich schaffe es immer, und ich komme besser durch als alle anderen.
    Ich legte den Löffel zur Seite und ging zu unserer Garage. Ich nahm mir einen Jeepster und fuhr in Richtung Tirellian.
    Stürme voll eisenoxidhaltigem Sand umtosten meinen Brummer und schienen ihn in Flammen zu hüllen. Sandkörner prasselten auf das Cabrio-Verdeck und arbeiteten sich sogar durch den Stoff; dann fingen sie an, meine Schutzbrille zu zerkratzen.
    Der Jeepster schwankte und stöhnte wie der kleine Esel, auf dem ich einst durch den Himalaja geritten war. Mein Hinterteil wurde arg strapaziert. Die Tirellian-Berge ächzten und kamen schwankend auf mich zu.
    Plötzlich ging es bergauf, und ich schaltete zurück, um dem Motor einen Gefallen zu tun. Nicht wie die Gobi, nicht wie die große Südwestküste, sinnierte ich. Bloß rot, bloß tot… Sogar ohne einen Kaktus. Ich erreichte den

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