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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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noch klappt. Es hieß ja, er würde sofort da sein.« Auf dem Bildschirm war der Lotus Lake inzwischen, abgesehen von einem dünnen blauen Rand, fast ganz im Schatten verschwunden, und es zeigte sich, daß er die Zeit, während der sie ihren Bruder sprechen konnte, überschätzt hatte. Zögernd teilte er ihr mit: »In ein paar Minuten gerät sein Lager in den Funkschatten. Er ist dann auf der Seite von Woden, die im Schatten liegt.« Er deutete auf den Bildschirm. »Und die Umdrehung des Planeten bringt ihn außer Rufweite. Wenn er zurückkommt, wird nicht mehr viel Zeit übrig sein – nicht mehr viel Zeit, bevor der Kontakt zu schlecht wird. Ich wünschte, ich könnte irgend etwas tun. Wenn ich könnte, würde ich ihn sofort rufen.«
    »Nicht einmal so viel Zeit, wie mir noch bleibt?«
    »Ich fürchte, nein.«
    »Dann…« – sie richtete sich auf und blickte mit blasser Entschlossenheit auf die Luftschleuse – »dann will ich gehen, wenn Gerry außer Rufweite gerät. Danach will ich nicht mehr warten… dann habe ich nichts mehr zu erwarten.«
    Auch diesmal gab es nichts für ihn zu sagen.
    »Vielleicht sollte ich überhaupt nicht mehr warten. Vielleicht bin ich nur egoistisch. Vielleicht wäre es besser für Gerry, wenn Sie ihm nachher einfach alles erzählten.«
    In ihren Worten lag der unbewußte Appell, er möge ihr widersprechen, und er sagte: »Das würde er bestimmt nicht wollen, daß Sie nicht auf ihn warten.«
    »Dort, wo er ist, wird es schon dunkel. Er hat die ganze lange Nacht vor sich; und meine Eltern wissen noch nicht einmal, daß ich nie wieder zurückkomme, dabei habe ich es ihnen doch versprechen müssen. Was habe ich nur getan. Allen, die ich lieb habe, tue ich weh. Das wollte ich nicht… das hatte ich nicht vor.«
    »Es war nicht Ihre Schuld«, sagte er. »Es war überhaupt nicht Ihre Schuld. Das wissen alle. Das werden alle verstehen.«
    »Zuerst hatte ich solche Angst vor dem Sterben, daß ich nur feige war und an mich dachte. Jetzt sehe ich ein, was ich für ein Egoist war. Das Schreckliche an solch einem Tod ist nicht, einfach nicht mehr da zu sein, sondern sie nie wiederzusehen. Nie mehr werde ich ihnen sagen können, daß sie nichts Selbstverständliches waren für mich. Nie mehr werde ich ihnen sagen können, daß ich genau wußte, was für Opfer sie für mich brachten, daß ich wußte, was sie alles für mich taten, und daß ich sie mehr liebte, als ich je zugab.
    Diese Dinge habe ich ihnen nie gesagt. So etwas sagt man nicht, wenn man jung ist und das Leben vor sich hat. Man hat Angst, es klingt albern und sentimental.
    Aber wenn man sterben muß, ist es plötzlich anders. Man wünscht, man hätte es gesagt, solange es noch möglich war, und man wünscht, man könnte ihnen sagen, wie sehr man all die kleinen Gemeinheiten, die man getan und gesagt hat, bereut. Man wünscht, man könnte ihnen sagen, daß man sie eigentlich nie verletzen wollte, und daß sie immer nur daran denken sollen, daß man sie mehr geliebt hat, als man es sie je wissen ließ.«
    »Es ist nicht nötig, ihnen das zu sagen«, meinte er. »Das wissen sie, und das haben sie immer gewußt.«
    »Sind Sie sicher?« fragte sie. »Wie können Sie das wissen? Sie kennen meine Eltern doch nicht.«
    »Wohin man auch kommt, das Herz des Menschen ist überall gleich.«
    »Und werden sie wissen, was ich ihnen sagen wollte – daß ich sie lieb hatte?«
    »Das haben sie immer gewußt, besser als Sie es ihnen je mit Worten sagen könnten.«
    »Ich muß ständig daran denken, was sie alles für mich getan haben und gerade die Kleinigkeiten sind es, die mir jetzt wichtig sind. Gerry zum Beispiel: Zu meinem sechzehnten Geburtstag hat er mir ein Armband aus Feuerrubinen geschenkt. Es ist sehr schön, es muß ihn ein ganzes Monatsgehalt gekostet haben. Und doch denke ich mehr an das, was er damals getan hat, als mein Kätzchen unters Auto gekommen war. Ich war erst sechs, und er nahm mich in den Arm und wischte mir die Tränen ab und sagte, ich solle nicht weinen, Flossy sei nur ausgegangen, um sich einen neuen Pelzmantel zu holen und schon morgen würde sie wieder auf dem Fußende von meinem Bett liegen. Ich glaubte, was er sagte, und hörte auf zu weinen, und in der Nacht träumte ich, daß Flossy wieder da sei. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag Flossy mit einem funkelnagelneuen weißen Pelz auf dem Fußende von meinem Bett – genau wie er es versprochen hatte.
    Nicht lang danach erzählte mir Mama, Gerry hätte den

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