Titan 19
angehört. Durch Einsatz einer Kombination von Psychologie, Kriegswissenschaft und Geschäftskunst überwinden sie schnell lokale Vorurteile und beginnen Wohlstand und Macht anzuhäufen. Der Übergang von bloßer lokaler Autorität zur absoluten planetarischen Herrschaft vollzieht sich stufenweise, aber sie haben ja auch genügend Zeit dafür, denn sie sind unsterblich.«
Conway hörte, wie seine Gabel mit leisem Klappern zu Boden fiel. Es vergingen ein paar Minuten, bis seine Hände und sein Geist zu zittern aufgehört hatten.
Es gab einige wenige extraterrestrische Spezies in der Föderation, die unglaublich lange Lebensspannen hatten, und die meisten medizinisch fortgeschrittenen Zivilisationen – zu denen auch die der Erde zählte – verfügten über die Mittel, durch Verjüngungsbehandlungen das Leben wesentlich zu verlängern. Unsterblichkeit hingegen war etwas, das sie nicht besaßen, noch hatten sie je Gelegenheit gehabt, jemanden zu studieren, der sie besaß. Bis jetzt, um es genau zu sagen. Jetzt hatte Conway einen Patienten, den er pflegen und kurieren sollte, und über den er zuallererst Nachforschungen anstellen mußte. Es sei denn… Aber der GKNM war ein Arzt, und ein Arzt würde nicht ›unsterblich‹ sagen, wenn er nur ›langlebig‹ meinte.
»Sind Sie sicher?« fragte Conway mit heiserer Stimme.
Die Antwort des Ian nahm ziemlich viel Zeit in Anspruch, weil sie Details über eine große Zahl von Fakten, Theorien und Legenden bezüglich dieser Geschöpfe enthielt, die mit nichts anderem als der Herrschaft über einen ganzen Planeten zufrieden waren. Am Ende war Conway immer noch nicht sicher, daß sein Patient unsterblich war, aber alles, was er gehört hatte, schien in die Richtung zu deuten.
Zögernd sagte er: »Nach dem, was ich gerade gehört habe, sollte ich vielleicht nicht fragen, aber sind diese Geschöpfe Ihrer Ansicht nach zu Mord und Kannibalismus fähig?«
»Nein!« sagte ein Ian.
»Niemals!« sagte der andere.
Die aus dem Translator hallenden Antworten ließen natürlich keinerlei Gefühlsregung erkennen, aber allein schon ihre Lautstärke reichte aus, um jeden im Speisesaal Anwesenden aufblicken zu lassen.
Einige Minuten später war Conway allein. Die Ians hatten die Erlaubnis erbeten, den legendären EPLH zu sehen und waren dann voll Ehrfurcht und Eifer weggerannt. Die Ians waren nette Leute, dachte Conway, aber gleichzeitig war er wirklich fest davon überzeugt, daß Salat sich nur als Nahrung für Kaninchen eignete. So schob er mit großer Willensstärke den nicht mehr besonders ansehnlichen Salat von sich und wählte sich ein Steak mit doppelten Beilagen.
Es sollte ein langer, schwerer Tag werden.
Als Conway in die Beobachtungsstation zurückkehrte, waren die Ians gegangen, und der Zustand des Patienten unverändert. Der Leutnant bewachte die diensthabende Schwester immer noch – aus großer Nähe – und fing aus irgendeinem Grund an, rot zu werden. Conway nickte würdevoll, entließ die Schwester und las den Pathologiereport noch einmal durch, als Dr. Prilicla eintraf.
Prilicla war ein spinnenhaftes, zerbrechliches, Niederschwerkraftgeschöpf, Klassifikation GLNO, und mußte dauernd G-Neutralisatoren tragen, um nicht von einer Schwerkraft, die die meisten anderen Spezies für normal hielten, plattgedrückt zu werden. Abgesehen von der Tatsache, daß er ein sehr tüchtiger Arzt war, war Prilicla die populärste Person des Hospitals, da seine empathische Fähigkeit es dem kleinen Geschöpf nahezu unmöglich machte, auf irgend jemanden unfreundlich zu wirken. Und obwohl er ebenfalls über ein Paar großer irisierender Flügel verfügte, setzte er sich zum Essen und aß Spaghetti mit der Gabel. Conway mochte Prilicla sehr.
Conway schilderte Zustand und Herkunft des EPLH kurz so, wie er sie einschätzte und schloß dann: »… Ich weiß, daß Sie aus einem bewußtlosen Patienten nicht viel herausholen können, aber es würde mir helfen, wenn Sie…«
»Hier scheint ein Mißverständnis vorzuliegen, Doktor«, sagte Prilicla, womit er in der höflichsten ihm zur Verfügung stehenden Form ausdrückte, daß der andere unrecht hatte. »Der Patient ist bei Bewußtsein…«
»Zurück!«
Durch Conways emotionelle Ausstrahlung über die Schäden, die die Knochenkeule des Patienten an Priliclas Eierschalenkörper anrichten konnte, ebenso gewarnt wie durch seine Worte, huschte der kleine GLNO außer Reichweite. Der Leutnant schob sich näher heran, die Augen immer noch starr
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