Titan 20
stimmt’s? Stört es Sie denn nicht, daß ich Bescheid weiß, wie Sie verkleidet herumgeschnüffelt haben?«
Jo grinste. Das Grinsen erzeugte ein leichtes Ziehen an seiner Wange, dicht neben der Nase. Er zog das Gewebestück weg, das er vergessen hatte, und musterte es kritisch.
»Natürlich nicht. Verkleidung ist ein elementarer Bestandteil unserer Arbeit. Das kann sich jeder selbst zurechtreimen. Wir verkleiden uns übrigens gar nicht oft – nur bei sehr einfachen Einsätzen.«
»Oh.« Der Mann schien ein wenig enttäuscht, als die Illusion anfing, ihren Glanz zu verlieren. Etwa eine Minute fuhr er schweigend. Dann meinte er nachdenklich: »Manchmal denke ich mir, daß der Dienst die Zeitreise beherrschen muß, wenn man bedenkt, was die anstellen ... So, da wären wir. Viel Glück, Mister!«
»Danke.«
Jo begab sich direkt zu Krasnas Büro. Krasna war ein Randolpher, auf der Erde ausgebildet und dem Büro auf der Erde verantwortlich, ansonsten aber ziemlich auf sich selbst gestellt. Sein breites, muskulöses Gesicht trug denselben Ausdruck ruhigen Selbstvertrauens, der für Beamte des Dienstes überall charakteristisch war – selbst für einige, die im technischen Sinne überhaupt keine Gesichter hatten.
»Junge trifft Mädchen«, sagte Jo kurz. »Auf den Punkt genau.«
»Gute Arbeit, Jo. Zigarette?« Krasna schob ihm die Schachtel über den Schreibtisch hin.
»Ne, jetzt nicht. Ich würde gerne mit Ihnen reden, wenn Sie Zeit haben.«
Krasna drückte einen Knopf, und ein pilzähnlicher Stuhl hob sich hinter Jo aus dem Boden. »Was haben Sie denn auf dem Herzen?«
»Nun«, meinte Jo vorsichtig, »ich frage mich, weshalb Sie mir gerade dafür auf die Schulter geklopft haben, daß ich nichts getan habe.«
»Sie haben doch etwas getan.«
»Nein, habe ich nicht«, sagte Jo ausdruckslos. »Die beiden hätten sich getroffen, ob ich nun hier auf Randolph oder auf der Erde gewesen wäre. Die Wege der wahren Liebe verlaufen immer glatt. So war es in all meinen Junge-trifft-Mädchen-Einsätzen. Und so war es auch in den Junge-trifft-Mädchen-Einsätzen jedes anderen Agenten, mit dem ich gesprochen habe.«
»Nun, gut«, sagte Krasna und lächelte. »So wollen wir ja auch, daß es läuft. Und so erwarten wir, daß es läuft. Aber, Jo, wir haben es einfach gerne, wenn jemand an Ort und Stelle ist, jemand mit dem Ruf der Findigkeit, nur für den Fall, daß es irgendwo ein Problem gibt. Das ist fast nie der Fall, wie Sie beobachtet haben. Aber – wenn es doch eines gäbe?«
Jo stieß geringschätzig die Luft aus. »Wenn das, was Sie hier zu tun versuchen, Bedingungen für die Zukunft herstellen soll, dann würde jede Einmischung seitens eines Agenten des Dienstes das am Ende stehende Resultat weiter aus der Bahn schieben. So viel verstehe ich auch von der Wahrscheinlichkeit.«
»Und wie kommen Sie darauf, daß wir versuchen, die Zukunft vorzubereiten, zu beeinflussen?«
»Selbst für die Hüpferfahrer auf Ihrem eigenen Planeten ist das offensichtlich. Der, der mich hierhergebracht hat, hat gesagt, seiner Ansicht nach verfügte der Dienst über die Möglichkeit der Zeitreise. Ganz besonders offenkundig ist es für all die Individuen und Regierungen und ganzen Bevölkerungen, die der Dienst seit Jahrhunderten aus ernsthaften Problemen herausgehauen hat, ohne daß je etwas schiefgegangen wäre.« Jo zuckte die Achseln. »Man kann einen Mann nur zum Schutz einer kleinen Zahl von Junge-trifftMädchen-Fällen einsetzen, ehe er als Agent erkennt, daß der Dienst die künftigen Kinder dieser Begegnungen sicherstellen will. Ergo – der Dienst weiß, wie diese Kinder sein sollen und hat Gründe, eine Garantie für ihre zukünftige Existenz zu wollen. Welchen anderen Schluß kann man da ziehen?«
Krasna nahm sich eine Zigarette und entzündete sie umständlich; es war offensichtlich, daß er das Manöver dazu benutzte, seine Antwort etwas zu tarnen.
»Keine«, gab er schließlich zu. »Einiges wissen wir natürlich vorher. Mit Spionage allein hätten wir uns unseren Ruf nicht aufbauen können. Aber es gibt auch andere offenkundige Vorteile: Genetik, zum Beispiel, und Operations Research, Spieltheorie, der Dirac-Sender – das ist ein ziemlich potentes Arsenal, und natürlich schließen diese Dinge auch ein gutes Stück an Vorhersage ein.«
»Das begreife ich«, sagte Jo. Er rutschte auf seinem Stuhl zur Seite und legte sich zurecht, was er sagen wollte. Dann überlegte er sich das mit der Zigarette und nahm sich eine.
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