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Titan 20

Titan 20

Titel: Titan 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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ein ganz einfacher Mechanismus ist, im Prinzip wenigstens. Ich bezweifle ernsthaft, daß es möglich ist, über Dirac eine Nachricht zu senden, die nicht entdeckt werden kann – und wenn wir uns die Theorie unter diesem Aspekt noch einmal ansehen, dann kommen wir vielleicht auf etwas Neues.«
    »Unter welchem Aspekt?« fragte Weinbaum. Thor Wald ließ ihn in diesen Tagen manchmal weit hinter sich.
    »Nun, daß eine Dirac-Sendung nicht notwendigerweise an alle Empfänger geht, die imstande sind, sie aufzunehmen. Wenn das zutrifft, dann sollten die Gründe dafür aus der Theorie hervorgehen.«
    »Verstehe. Okay, gehen Sie davon aus. Ich habe mir inzwischen Stevens’ Akte angesehen, und die bringt uns überhaupt nicht weiter. Vor der Eröffnung des Büros in Rio City gibt es überhaupt nichts über J. Shelby Stevens. Als ich das erstemal mit dem Mann sprach, hat er mir praktisch die Nase darauf gestoßen, daß der Name falsch ist. Ich hab’ ihn gefragt, was das ›J‹ in seinem Namen bedeutete und er sagte ›oh, meinetwegen Jerome‹. Aber wer der Mann hinter diesem Pseudonym ist ...«
    »Könnte es sein, daß er seine eigenen Initialen benutzt?«
    »Nein«, sagte Weinbaum. »Das tun nur die Allerdümmsten, oder sie vertauschen irgendwelche Silben oder lassen überhaupt eine Verbindung mit ihrem echten Namen bestehen. Das sind Leute, die ernsthafte emotionelle Schwierigkeiten haben, Leute, die sich in die Anonymität zurückziehen, aber überall in der Landschaft Andeutungen hinterlassen – in Wirklichkeit sind das Hilferufe, daß man sie entdeckt. Natürlich untersuchen wir das ebenfalls – wir können es uns gar nicht leisten, irgend etwas zu übersehen – aber ich bin sicher, daß J. Shelby Stevens nicht unter diese Kategorie fällt.« Weinbaum stand abrupt auf. »Okay, Thor – was kommt auf Ihrem technischen Programm als erstes?«
    »Nun ... ich nehme an, wir müssen zunächst einmal die Frequenzen überprüfen, die wir benützen. Wir gehen von Diracs Annahme aus – die gut funktioniert –, daß ein Positron, das sich durch ein Kristallgitter bewegt, von de Broglie-Wellen begleitet wird, die Nachbildungen der Wellen eines sich irgendwo anders im Universum bewegenden Elektrons sind. Auf diese Weise steuern wir, indem wir Frequenz und Weg des Positrons steuern, auch den Ort des Elektrons im Raum – mit anderen Worten, wir veranlassen, daß es in den Stromkreisen eines Kommunikators irgendwo anders erscheint. Und wenn es einmal so weit ist, dann kommt es nur noch darauf an, die Signale zu verstärken und auszulesen.«
    Wald runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Wenn Stevens Nachrichten aussendet, die wir nicht auffangen, dann wäre meine erste Annahme die, daß er einen feinabstimmbaren Schwingkreis entwickelt hat, der empfindlicher als der unsere ist, und somit seine Nachrichten mehr oder weniger unter den unseren hinausschmuggelt.
    Soweit ich das im Augenblick erkennen kann, ginge so etwas nur mit etwas wirklich Phantastischem in bezug auf exakte Frequenzkontrolle seiner Positronenkanone. In diesem Fall wäre es logisch, wieder zum Anfang unserer Tests zurückzukehren und unsere Beugungsgitter noch einmal zu überprüfen, um zu sehen, ob wir die Messungen der Positronenfrequenzen noch feiner abstimmen können.«
    Der Wissenschaftler wirkte dabei so unsagbar traurig, daß Weinbaum aus schierer Sympathie eine hoffnungslose Miene aufsetzte. »Sie sehen nicht gerade aus, als rechneten sie damit, etwas Neues zu entdecken.«
    »Tue ich auch nicht. Sehen Sie, Robin, die Dinge liegen heute anders in der Physik als damals im zwanzigsten Jahrhundert. Damals ging man immer davon aus, daß die Physik grenzenlos sei – die klassische Aussage dazu kam von Weyl, der sagte: ›Es ist die Natur eines realen Dings, inhaltlich unerschöpflich zu sein.‹ Wir wissen heute, daß das nicht zutrifft, höchstens in einem sehr entfernten allegorischem Sinne. Heutzutage ist die Physik eine definierte und in sich geschlossene Wissenschaft; sie ist immer noch ungeheuer weit gespannt, aber wir können sie nicht als unendlich betrachten.
    In der Partikelphysik gilt das in noch höherem Maße als in jedem anderen Bereich der Naturwissenschaft. Die Hälfte der Schwierigkeiten, die die Physiker des letzten Jahrhunderts mit der euklidischen Geometrie hatten – und aus diesem Grunde haben sie so viele komplizierte Relativitätstheorien entwickelt – ist die, daß es sich um eine Geometrie der Linien handelt, die man daher in

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