Titan 20
abwenden kann – sich statt dessen Gründe zusammenbraut, weshalb es das Ereignis wünscht.«
»Wow!« sagte Dr. Wald, nicht sonderlich elegant, aber dafür sehr überzeugend.
»Ja, ›wow‹ oder ›stark‹ scheinen mir hier angebracht – welches von beiden, kann ich nicht ganz entscheiden«, pflichtete Weinbaum ihm bei. »Wir wissen, daß Dana Schauspielerin ist, Thor, also wollen wir nicht schon gleich vom Apfelbaum fallen. Dana, die wirklich schwierige Frage habe ich mir für den Schluß aufgespart. Und diese Frage lautet: Wie? Wie sind Sie auf diese Modifikation des Dirac-Senders gestoßen? Denken Sie daran, wir kennen Ihren Hintergrund, wohingegen wir den von ›J. Shelby Stevens‹ nicht kennen. Sie sind keine Wissenschaftlerin. In Ihrer entfernten Verwandtschaft hat es ein paar hochgradige Intellektuelle gegeben, aber das ist auch schon alles.«
»Auf diese Frage möchte ich Ihnen einige Antworten geben«, sagte Dana Lje. »Picken Sie sich diejenige heraus, die Ihnen am besten gefällt. Sie entsprechen alle der Wahrheit, neigen aber dazu, einander da und dort zu widersprechen.
Zunächst einmal haben Sie bezüglich meiner Verwandten natürlich recht. Wenn Sie sich die Akte allerdings noch einmal ansehen, werden Sie feststellen, daß jene sogenannten ›entfernten‹ Verwandten mit Ausnahme meiner Person die letzten überlebenden Angehörigen meiner Familie waren. Als sie starben, fiel ihr Vermögen, obwohl sie Vettern zweiten, vierten und neunten Grades waren, an mich. Und unter ihren Habseligkeiten fand ich eine Skizze eines möglichen Nullzeitkommunikators, der auf einer Umkehrung von de Broglie-Wellen beruhte. Die Aufzeichnungen waren in sehr grober Form und für mich zum größten Teil unverständlich, weil ich, wie Sie sagen, keine Wissenschaftlerin bin. Aber sie interessierten mich, ich konnte mir eine gewisse Vorstellung davon machen, was so etwas wert sein könnte – nicht nur in Geld.
Zwei Zufälle bestärkten mich in meinem Interesse – die Art von Zufällen, wie sie die Gesetze von Ursache und Wirkung zwar einfach nicht zulassen können, wie sie aber trotzdem in der Welt der unveränderlichen Ereignisse vorzukommen scheinen. Den größten Teil meines Erwachsenenlebens war ich in irgendeiner Weise in der Kommunikationsbranche tätig, meistens mit Aufgaben befaßt, die irgendwie mit dem Fernsehen zusammenhingen. Ich hatte die ganze Zeit um mich herum entsprechende technische Anlagen und trank jeden Tag meinen Kaffee mit Technikern und Fachleuten dieser Branche. Zuerst habe ich mir die Fachsprache angeeignet und dann auch einige der technischen Fertigkeiten. Und am Ende sogar einiges echte Wissen. Einige der Dinge, die ich so gelernt habe, kann man sich gar nicht anders erwerben. Andere sind gewöhnlich nur Leuten mit einer sehr spezialisierten Ausbildung, wie Dr. Wald, zugänglich und fielen mir zufällig zu, beim Flirt zwischen Küssen und auf hundert andere Arten. Aber so ist das beim Fernsehen.«
Weinbaum stellte zu seiner eigenen Überraschung fest, daß das ›zwischen Küssen‹ ihm gar nicht sonderlich gefiel. So meinte er schroffer, als er es beabsichtigte: »Was ist das für ein anderer Zufall?«
»Eine undichte Stelle in Ihrem Büro.«
»Dana, das sollten Sie sich vertonen lassen. Aber Spaß beiseite – eine undichte Stelle, die direkt zu Ihnen führte?«
»Zuerst nicht. Deshalb bestand ich ja Ihnen gegenüber darauf, daß es vielleicht eine solche undichte Stelle geben könnte, und deshalb machte ich auch in meinem Programm öffentliche Andeutungen dieser Art. Ich hoffte, Sie würden die undichte Stelle abdichten, ehe mein ziemlich flüchtiger Kontakt verloren ging. Als es mir nicht gelang, Sie zu provozieren, sich selbst zu schützen, ging ich das Risiko ein, unmittelbaren Kontakt mit der undichten Stelle aufzunehmen – und die erste geheime Information, die mir auf diesem Wege zukam, war der letzte Punkt, den ich dazu brauchte, um meinen Dirac-Kommunikator fertigzustellen. Als er fertig war, tat er mehr als nur senden und empfangen. Er prophezeite. Und ich kann Ihnen sagen, warum.«
»Bis jetzt fällt es mir nicht besonders schwer, das zu akzeptieren«, sagte Weinbaum nachdenklich. »Wenn man mal den ganzen philosophischen Teil beiseite läßt, ergibt jetzt sogar die ›J. Shelby Stevens‹-Angelegenheit einigen Sinn. Indem Sie dafür sorgten, daß der alte Herr als jemand bekannt wurde, der mehr über den Dirac-Sender wußte als ich, und der nicht abgeneigt war, mit
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