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Titan 20

Titan 20

Titel: Titan 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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unartikuliertes Geräusch zu hören, das plötzlich abriß.
    Dana selbst schien leicht zu lächeln.
    »Sehen Sie«, sagte sie, »ich ziele ja schließlich mit meinem schönen Knie nicht auf jeden Mann, der mir über den Weg läuft.«
    Weinbaum setzte sich wieder; er tat es langsam und mit äußerster Sorgfalt. »Gehen Sie bitte, laufen Sie nicht, zum nächsten Ausgang«, sagte er. »Frauen und kindliche Sicherheitsbeamte zuerst. Miß Lje, wollen Sie mir etwa weismachen, daß Sie all dieses komplizierte Theater – mit Bart und allem – nur deswegen gespielt haben, weil Sie brennende Leidenschaft für meine etwas korpulente und ziemlich unterbezahlte Person erfüllt?«
    »Nicht ganz«, sagte Dana Lje. »Wie ich schon sagte, will ich auch Mitarbeiterin des Büros werden. Aber lassen Sie sich doch von mir mit einer kleinen Tatsache konfrontieren, die Ihnen allem Anschein nach überhaupt nicht in den Sinn gekommen ist. Akzeptieren Sie es als Tatsache, daß ich die Zukunft in Einzelheiten lesen kann, und daß das, um überhaupt möglich zu sein bedeutet, daß die Zukunft bereits feststeht?«
    »Da Thor anscheinend imstande ist, es zu akzeptieren, kann ich das wohl auch – provisorisch zumindest.«
    »Daran ist nichts Provisorisches«, sagte Dana mit fester Stimme. »Als ich ursprünglich auf diesen – nun ... äh ... diesen Trick – stieß, was übrigens eine ganze Weile zurückliegt, stellte ich ziemlich frühzeitig fest, daß ich die ›J. Shelby Stevens‹-Maskerade durchmachen, mich gewaltsam ins Büro drängen und Sie heiraten würde, Robin. Damals war ich darüber gründlich verblüfft und sträubte mich mit aller Kraft dagegen. Ich wollte nicht ins Büro eintreten; mein freiberufliches Leben als Fernsehkolumnistin gefiel mir. Ich wollte Sie auch nicht heiraten, obwohl es mir nichts ausgemacht hätte, eine Zeitlang mit Ihnen zusammenzuleben – auf einen Monat vielleicht. Und außerdem kam mir die Maskerade ungeheuer lächerlich vor.
    Aber die Tatsachen starrten mir ins Gesicht. Ich würde all diese Dinge tun. Es gab keine Alternativen, keine phantastischen ›Abzweigungen in der Zeit‹, keine Scheidewege, keine Entscheidungspunkte, die man ändern konnte, um die Zukunft zu verändern. Meine Zukunft war festgelegt, so wie die Ihre, die von Dr. Wald und die von allen anderen. Es war schnurzegal, ob ich nun für das, was ich tun würde, ein vernünftiges Motiv hatte oder nicht, ich würde es jedenfalls tun. Ursache und Wirkung existieren einfach nicht, wie ich am eigenen Leib erfuhr. Ein Ereignis folgt dem anderen, weil die Ereignisse in der Raumzeit ebenso unzerstörbar sind wie Materie und Energie.
    Das war von allen Pillen die bitterste. Ich werde viele Jahre brauchen, um sie ganz zu schlucken. Und Sie auch. Dr. Wald wird ein wenig schneller damit fertig werden, glaube ich. Jedenfalls mußte ich, sobald ich einmal intellektuell überzeugt war, daß das alles so und nicht anders war, meinen eigenen Verstand, meine Zurechnungsfähigkeit schützen. Ich wußte, ich würde das, was ich tun würde, nicht ändern können, aber das mindeste, was ich tun konnte, um mich zu schützen, war es, mir Motive zu beschaffen. Oder, anders ausgedrückt, nachgeschaltete Vernunftgründe. Dies zu tun, so scheint es, sind wir frei; das Bewußtsein des Beobachters ist so etwas wie ein Mitreisender durch die Zeit und kann die Ereignisse nicht ändern, aber es kann sie kommentieren, erklären und Gründe dafür erfinden. Das ist ein Glück, denn keiner von uns könnte es ertragen, Bewegungen mitzumachen, die wahrhaft frei von all dem sind, was wir als persönliche Signifikanz betrachten.
    So verschaffte ich mir die naheliegenden Motive. Als feststand, daß ich Sie heiraten würde und ich mich dem nicht entziehen konnte, machte ich mich daran, mich zu überzeugen, daß ich Sie liebte. Das tue ich jetzt. Da ich Mitarbeiterin des Büros werden würde, überdachte ich alle Vorteile, die das gegenüber meiner Arbeit beim Fernsehen vielleicht haben könnte, und stellte fest, daß diese Vorteile eine ganz respektable Liste ausmachten. Und die sind jetzt meine Motive.
    Aber zu Anfang hatte ich keine solchen Motive. Tatsächlich stehen hinter Handlungen nie Motive. Alle Handlungen sind fixiert. Was wir Motive nennen, sind ganz offensichtlich nachgeschaltete Vernunftgründe, die das hilflos beobachtende Bewußtsein liefert, welches intelligent genug ist, um das Herannahen eines Ereignisses zu riechen – und, da es das Ereignis schon nicht

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