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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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Atomenergie-Kommission doch die Vorsichtsmaßnahmen vorgeschrieben, die wir ergreifen mußten.
    Wir blieben fünf Stunden im Unterstand, während die Bombe die lange Reise nach unten antrat – bis uns endlich unsere Instrumente verrieten, daß sie auf dem Grund des Bohrlochs ruhte. Dann führten wir einen einfachen Countdown durch, und der Vorsitzende des Aufsichtsrats drückte den roten Knopf. Rote und weiße Knöpfe sind der Ruhm des Menschen. Man drücke einen weißen Knopf, und eine Glocke schlägt an, oder ein elektrisches Licht flammt auf; man drücke einen roten Knopf, und die höllische Gewalt einer Sonne entsteht – diesmal sieben Kilometer unter der Oberfläche der Erde.
    Vielleicht war es dieser Teil und dieser Punkt an der Oberfläche der Erde, vielleicht gab es keinen anderen Ort, an dem genau dasselbe passiert wäre. Vielleicht war die Falte, in der das Öl versickerte, tiefer, als wir je vermutet hatten. Tatsächlich wird das niemand je wissen; wir sahen nur, was wir sahen – über die Fernsehkamera. Wir sahen, wie die Erde anschwoll. Die Schwellung hob sich wie eine Beule von vielleicht zweihundert Metern Durchmesser –, und dann löste sich die Oberfläche der Beule in einer Säule aus Staub und Rauch auf, die sich vielleicht zweihundert Meter über die Talsohle erhob, wie die Feuersäule von Sinai, und dann hob sie als Ganzes ab und zerbrach plötzlich im Wind. Selbst im Unterstand hörten wir das schreiende Poltern, und als dann das riesige Loch wieder frei war, schoß daraus eine Säule aus Öl von mindestens dreißig Metern Durchmesser in die Höhe. Oder war es kein Öl?
    In dem Augenblick, in dem wir es sahen, erhob sich im Unterstand erregtes Hurrageschrei, und dann erstarb es wieder.
    Unser Fernsehsystem war ein Farbsystem, und diese Ölsäule war hellrot.
    »Rotes Öl«, flüsterte jemand.
    Dann herrschte Stille.
    »Wann können wir hier weg?« wollte jemand wissen.
    »Noch zehn Minuten.«
    Der Staub wehte in entgegengesetzter Richtung davon, und wir standen zehn Minuten lang da und sahen zu, wie das hellrote Öl aus dem Loch schoß, und innerhalb der Mauern einen großen Tümpel bildete, den Raum mit erstaunlicher Schnelligkeit füllte, und über die Wände schwappte, denn das Öl mußte mit fünfhunderttausend Liter pro Sekunde herausquellen, vielleicht sogar mehr. Und dann reichte das Reservoir nicht mehr aus, und das Öl schwappte über, füllte das Tal, und stieg so schnell höher, daß wir Angst bekamen, wir könnten von der ganzen Anlage abgeschnitten werden. An dem Punkt warteten wir nicht länger, sondern riskierten es, Strahlung abzubekommen und rannten den sandigen Hügel zum Loch hinunter und zu den Lkws und den Häusern – aber nicht schnell genug. Wir blieben am Rand eines großen Sees aus rotem Öl stehen.
    »Das ist kein rotes Öl«, sagte jemand.
    »Verdammt, das ist kein Öl!«
    »Den Teufel ist es das nicht! Es ist Öl!«
    Wir zogen uns zurück, während der Ölsee immer größer wurde, und schließlich die Lkws und die Häuser bedeckte, und dann erreichte das Öl eine Spalte im Tal und floß hinaus und hinunter über die Wüste in die Finsternis der Schatten, die die großen Felsen warfen – rot im Licht des Sonnenuntergangs und später in der Dunkelheit glitzernd.
    Jemand berührte es und fuhr sich dann mit der Hand zum Mund.
    »Das ist Blut.«
    Max stand neben mir. »Der ist verrückt«, sagte Max.
    Noch jemand sagte, daß es Blut sei.
    Ich steckte den Finger in die rote Flüssigkeit und hob ihn an die Nase. Es war warm, fast heiß, und der Geruch nach heißem, frischem Blut war nicht zu verkennen. Ich kostete mit der Zungenspitze.
    »Was ist es?« flüsterte Max.
    Die anderen sammelten sich rings um uns – stumm, während die rote Sonne jenseits des roten Sees unterging, und das Rote sich in unseren Gesichtern spiegelte und unsere Augen rot glänzten.
    »Herrgott, was ist das?« fragte Max.
    »Es ist Blut«, antwortete ich.
    »Von woher?«
    Und dann verstummten wir alle.
    Wir verbrachten die Nacht auf dem Hügel, wo der Unterstand gebaut worden war. Am Morgen war rings um uns, soweit das Auge reichte, eine heiße, dampfende See aus rotem Blut, das so roch, daß uns allen davon übel wurde. Wir alle übergaben uns ein halbes Dutzend mal, ehe endlich die Helikopter kamen und uns wegbrachten.
    Am Tag nach meiner Heimkehr saßen Martha und ich im Wohnzimmer, sie mit einem Buch und ich mit der Zeitung, in der ich gelesen hatte, daß sie versuchten, das Ding zu

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