Titan 22
dem er sich inzwischen nach vorne gearbeitet hat. Aber zufälligerweise macht mir auch das, was in der späten Früh-Silverberg-Periode geschrieben wurde, Spaß.)
Zu den Freuden von The Time Hoppers gehört auch die Präzision, mit der der zugeknöpfte kleine Held des Romans gezeichnet ist, die Bescheidenheit seiner afrikanischen Zuflucht und dergleichen. Im Hintergrund steht die ganze ruinierte Welt, wie sie aus Denktankprojektionen des westlichen ›Fortschritts‹ aus den Fünfzigern und Sechzigern bekannt ist, mit einer riesigen Megalopolis, die die ganze Ostküste der Vereinigten Staaten bedeckte, mit Automation, gigantischer Arbeitslosigkeit und sterilen Freuden.
Aber ehe ich darauf zurückkomme, was ich tat, als ich diesen Roman in den Norfolk Broads las, möchte ich nebenbei erwähnen, daß die Ereignisse der letzten Jahre die Wahrscheinlichkeit, daß es zu jener Megalopolis kommt, viel geringer gemacht haben, als das vor Jahren einmal der Fall war. Vor fünf Jahren war Silverbergs Modell die Orthodoxie selbst und ihre Wahrscheinlichkeit schien etwa neunundneunzig Prozent zu betragen, und wenn man dagegen argumentierte, so tat man das auf eigene Gefahr.
Und dann kamen die Araber und veränderten das alles, indem sie es ablehnten, das Tempo zu steigern, mit dem Öl aus dem Boden gepumpt wurde. Es dauerte eine Weile, bis die Allgemeinheit begriff, in wie weitem und tiefem Maße ihre Zivilisation von jenem billigen Öl aus dem vom Krieg zerrissenen Nahen Osten abhängig war. Selbst die Science Fiction-Schriftsteller scheinen bezüglich dieser Fakten ein wenig vage gewesen zu sein. Der grenzenlose technische Fortschritt, wie ihn Schriftsteller wie Isaac Asimov recht blauäugig prognostiziert haben, scheint von fossilen Brennstoffen nur wenig Notiz zu nehmen – obwohl man natürlich stets die Freiheit besitzt, Wunderbrennstoffe zu erfinden. (Während ich diese Zeilen schreibe, veranlaßt eine neue Bedrohung des Friedens im Nahen Osten einige Araberstaaten dazu, von einer fünfzehnprozentigen Reduzierun g in der Ölproduktion zu sprechen. Das würde gerade noch fehlen! Bei solch alarmierenden Nachrichten fangen die Leute an, auf Typen wie Uri Geller zu warten und Eric Laithwaites neue Antigravitationsmaschine. Wir brauchen diesen Wunderbrennstoff wirklich! )
Während ich also in den Norfolk Broads bequem dahintrieb und Silverberg las, schwamm ich über einem der Wundertreibstoffe der Vergangenheit.
Da war Silverberg, der mir erklärte, wie wir unser wertvolles irdisches Erbe ruinierten. Und da war ich, bewegte mich auf einer komplizierten und einmaligen Wasserstraße, die von seltenen Vögeln bevölkert ist, in der es von Fischen wimmelt und die von lieblichen Bäumen und Pflanzen umgeben ist, so daß das Ganze einen schläfrigen Zauber an sich hat. Die Broads sind nicht besonders weitläufig, selbst nach englischen Begriffen, und doch umfassen sie eine große Vielfalt. Jede Broad hat einen anderen Charakter, manche klein und intim, mit Bäumen und hohen Büschen bestanden, während andere, wie Hickling Broad, unter freiem Himmel daliegen und manchmal recht gefährlich sein können.
Erst in diesem Jahrhundert entdeckte man, daß die Broads gar nicht natürlich sind, sondern künstlich geschaffen wurden. Im Mittelalter bildete sich dieses Netz von Wasserwegen. Sie waren ursprünglich Torfland, in dem die großen Klöster von Norfolk ihren Torf stachen, der ihnen als Brennstoff diente. Torf war ein sehr wesentlicher Bestandteil der mittelalterlichen Wirtschaft. Und im vierzehnten Jahrhundert waren in Norfolk etwa 2600 Hektar durch Torfgruben zerstört worden. Diese Gruben wurden überflutet und mit der Zeit aufgegeben. Bald geriet ihr Zweck in Vergessenheit. Und jetzt bilden sie das bestbekannte und meistbenutzte System von Seen und Kanälen auf den britischen Inseln. So ist die Umweltzerstörung der einen Generation die Freude einer anderen.
Natürlich wird Norfolk nie wieder das sein, was es einmal vor der großen Wandlung war. Aber was endgültig ist, muß nicht notwendigerweise auch fatal sein.
Womit ich vielleicht auf ziemlich komplizierte Art ausdrücke, daß das würdige Thema der Übervölkerung, das man vielleicht im Augenblick als das Zentralproblem der Erde betrachten kann, hier durch Allen Langs kleinen Witz (und im übrigen seine erste veröffentlichte Story) repräsentiert ist. Überbevölkerung ist ein ernsthaftes Problem, daran ist kein Zweifel. Aber mit Predigten wird man es nicht lösen –
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