Titan 22
Johnson-Farm etwas gesehen, das so aussah als…«
»Mund halten!« sagte der Geschäftsmann, ohne den Kopf zu wenden.
Der Junge wurde rot und sackte in seinem Sitz zusammen. Seine Stimme zitterte und verstummte dann. Er warf einen hastigen Blick auf seine Hände und schluckte dann verlegen.
Der Vertreter bezahlte seine Cola. »Wie kommt man am schnellsten nach Frisco?« begann er. Aber die Kellnerin hatte ihm bereits den Rücken zugewandt.
Die Leute an der Theke waren alle mit ihrem Essen beschäftigt. Keiner von ihnen blickte auf, sie aßen in erstarrtem Schweigen. Feindselige, unfreundliche Gesichter, ganz auf das Essen konzentriert.
Der Vertreter griff sich seine zum Bersten gefüllte Aktentasche, schob die Tür auf und trat in die grelle Sonne hinaus. Er ging auf seinen zerbeulten 78er Buick zu, der ein paar Meter entfernt parkte. Ein Verkehrspolizist in blauem Hemd stand im Schatten eines Vordachs und unterhielt sich mit einer jungen Frau in einem gelben Seidenkleid, das feucht an ihrem schlanken Körper klebte.
Der Vertreter wartete einen Augenblick lang, ehe er in den Wagen stieg. Er winkte dem Polizisten zu. »Sagen Sie, kennen Sie sich hier einigermaßen aus?«
Der Polizist musterte den zerdrückten grauen Anzug, die Schleife und das schweißfleckige Hemd des Vertreters. Dann fiel sein Blick auf das fremde Nummernschild. »Was wollen Sie?«
»Ich suche die Johnson-Farm«, sagte der Vertreter. »Ich habe was mit ihm zu besprechen in einer gerichtlichen Angelegenheit.« Er ging auf den Polizisten zu, eine kleine weiße Karte in der Hand. »Ich bin sein Anwalt – von der New Yorker Gilde. Können Sie mir sagen, wie ich hinkomme? Ich war seit ein paar Jahren nicht mehr hier.«
Nat Johnson blickte zur Mittagssonne auf und sah, daß sie gut war. Er saß gelockert auf der untersten Stufe seiner Veranda, eine Pfeife zwischen den gelben Zähnen, ein drahtiger, hagerer Mann in einem rotkarierten Hemd und Jeans, mit kräftigen Händen und eisengrauem Haar, das immer noch dicht und buschig war, trotz fünfundsechzig Jahren harten Lebens.
Er sah den Kindern beim Spielen zu. Jean kam jetzt lachend herbeigerannt, ihr Busen wogte unter ihrem Sweatshirt, und das schwarze Haar flog hinter ihr. Sie war sechzehn, mit munteren Augen, kräftigen, geraden Beinen, und ihr schlanker junger Körper war unter dem Gewicht der beiden Hufeisen etwas nach vorne gebeugt. Hinter ihr kam Dave gerannt, vierzehn, weiße Zähne, schwarzes Haar, ein gut aussehender Junge, ein Sohn, auf den man stolz sein konnte. Dave holte jetzt seine Schwester ein, überholte sie und erreichte das zweite Wurfmal. Er stand da und wartete, die Beine gespreizt, die Hände in die Hüften gestemmt, die beiden Hufeisen fest umspannt. Keuchend rannte Jean auf ihn zu.
»Nur zu!« schrie Dave. »Schieß du zuerst! Ich warte.«
»Damit du sie wegstoßen kannst?«
»Damit ich sie näher heranstoßen kann.«
Jean warf ein Hufeisen und packte das andere mit beiden Händen, die Augen auf das Mal gerichtet. Ihr schlanker Körper beugte sich, ein Bein glitt nach hinten, ihre Wirbelsäule spannte sich. Sie zielte sorgfältig, kniff ein Auge zu und warf das Hufeisen dann geschickt. Klirrend traf das Eisen den Pfosten, kreiste ein paarmal um ihn, prallte dann ab und rollte zur Seite. Eine kleine Staubwolke erhob sich.
»Nicht schlecht«, meinte Nat Johnson von seiner Stufe aus. »Aber zu kräftig, würde ich sagen.« Seine Brust schwoll vor Stolz, als das Mädchen wieder zielte und noch einmal warf. Kräftige, gut aussehende Kinder waren das, ausgereift, an der Schwelle zum Erwachsenenleben. Jetzt spielten sie miteinander in der heißen Sonne. Und da war Cris.
Cris stand mit verschränkten Armen an der Veranda. Er spielte nicht. Er sah zu. Er hatte dort gestanden, seit Dave und Jean zu spielen begonnen hatten, mit demselben halb interessiert, halb distanziert wirkenden Ausdruck auf seinem fein geschnittenen Gesicht. So als würde er an ihnen vorbeisehen, über die beiden hinaus. Hinaus über das Feld, die Scheune, das Bachbett und die Reihen von Zedern.
»Komm, Cris!« rief Jean, während sie und Dave über das Feld rannten, um die Hufeisen einzusammeln. »Willst du nicht spielen?«
Nein, Cris wollte nicht spielen. Er spielte nie. Er war ganz woanders, in einer Welt, die nur ihm gehörte. Eine Welt, zu der keiner von ihnen Zugang hatte. Er machte nie irgendwo mit, ob es nun Spiele waren oder Arbeit oder irgendwelche Aktivitäten der Familie. Er war immer für
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