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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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sich. Entfernt, distanziert, über den Dingen stehend. Er sah an jedem und allem vorbei – das heißt, bis ganz plötzlich irgend etwas klickte und er für einen Augenblick in eine andere Phase geriet und kurz ihre Welt betrat.
    Nat Johnson klopfte seine Pfeife an der Stufe aus. Er füllte sie aus dem ledernen Tabaksbeutel nach, ohne dabei die Augen von seinem ältesten Sohn zu wenden. Cris schickte sich jetzt an, zum Leben zu erwachen. Er ging aufs Feld hinaus. Ganz langsam ging er, die Arme ruhig verschränkt, so als wäre er – für den Augenblick – aus seiner eigenen Welt in die ihre herabgestiegen. Jean sah ihn nicht; sie hatte ihm den Rücken zugewandt und bereitete sich gerade auf den Wurf vor.
    »He«, sagte Dave verblüfft. »Da kommt Cris.«
    Cris hatte inzwischen seine Schwester erreicht, blieb stehen und hielt ihr die Hand hin. Seine große, würdevolle Gestalt, ruhig und leidenschaftslos. Unsicher gab Jean ihm eines der Hufeisen. »Willst du das? Willst du spielen?«
    Cris sagte nichts. Er beugte sich leicht, sein unglaublicher graziös wirkender Körper bildete einen Bogen, und dann bewegte sich sein Arm so schnell, daß man der Bewegung nicht zu folgen vermochte. Das Hufeisen segelte davon, traf das Mal und kreiste wie wild um es herum.
    Daves Mundwinkel bewegten sich nach unten. »Was für ein lausiges, verdammtes Ding.«
    »Cris«, tadelte Jean. »Du spielst nicht fair.«
    Nein, Cris spielte nicht fair. Er hatte eine halbe Stunde lang zugesehen – und dann war er herausgetreten und hatte einmal geworfen, ein perfekter Wurf – Treffer.
    »Er macht nie einen Fehler«, beklagte sich Dave.
    Cris stand da mit ausdruckslosem Gesicht. Eine goldene Statue in der Mittagssonne. Goldenes Haar, goldene Haut, ein leichter goldener Flaum auf den nackten Armen und Beinen…
    Plötzlich versteifte er sich. Nat richtete sich auf, erschrak. »Was ist?« forschte er.
    Cris drehte sich im Kreis herum, sein herrlicher Körper wirkte wachsam. »Cris!« rief Jean. »Was…«
    Cris schoß nach vorne. Wie ein losgelassener Energiestrahl fegte er über das Feld, über den Zaun, in die Scheune und auf der anderen Seite wieder hinaus. Seine fliegende Gestalt schien über das trockene Gras dahinzugleiten, während er in das ausgetrocknete Bachbett hinunterrannte zu den Zedern. Ein goldener Blitz – und er war verschwunden. Weg. Da war kein Laut. Keine Bewegung. Er war völlig mit der Szenerie verschmolzen.
    »Was war es denn diesmal?« fragte Jean müde. Sie kam zu ihrem Vater herüber und ließ sich im. Schatten niedersinken. Schweißperlen glitzerten auf ihrem glatten Hals und ihrer Oberlippe; ihr Hemd war feucht und staubig. »Was hat er denn gesehen?«
    »Er war hinter irgend etwas her«, erklärte Dave und richtete sich auf.
    »Vielleicht«, knurrte Nat. »Das kann man nie sagen.«
    »Ich glaub, ich sag Mom besser Bescheid, daß sie für ihn nicht zu decken braucht«, meinte Jean. »Der kommt doch wahrscheinlich nicht so schnell zurück.«
    Zorn und ein Gefühl der Hilflosigkeit erfaßten Nat Johnson. Nein, er würde nicht zurückkommen. Nicht zum Abendessen und wahrscheinlich auch am nächsten Tag nicht – oder dem danach. Er würde wegbleiben, weiß Gott wie lange. Oder wo. Oder warum. Ganz alleine für sich, irgendwo allein. »Wenn ich glaubte, daß es einen Sinn hätte«, begann Nat, »würde ich euch beide hinterherschicken. Aber es hat ja…«
    Er unterbrach sich. Ein Wagen kam den Feldweg herauf und auf das Haus zu. Ein zerbeulter, staubiger alter Buick. Hinter dem Steuer saß ein plump wirkender, rotgesichtiger Mann in einem grauen Anzug, der ihnen vergnügt zuwinkte, während der Wagen knatternd zum Stillstand kam und der Motor schließlich verstummte.
    »Tag«, nickte der Mann, während er aus dem Wagen stieg. Er tippte freundlich an den Hut. Er war in mittleren Jahren, sympathisch, kräftig transpirierend, und kam auf die Veranda zu. »Vielleicht kann mir von Ihnen jemand helfen.«
    »Was wollen Sie?« fragte Nat Johnson heiser. Er hatte Angst. Er beobachtete das Bachbett aus den Augenwinkeln und betete dabei stumm. Herrgott, wenn er nur wegblieb! Jeans Atem ging schnell – kurze, kleine Atemzüge. Sie war zu Tode verängstigt. Daves Gesicht war ausdruckslos, aber alle Farbe war aus ihm verschwunden. »Wer sind Sie?« wollte Nat wissen.
    »Baines heiße ich. George Baines.« Der Mann streckte die Hand aus, aber Johnson ignorierte sie. »Vielleicht haben Sie von mir gehört. Mir gehört die Pacific

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