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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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diesmal?«
    »Eine ganze Menge.« Baines führte sie aus der Lobby in eine schwach beleuchtete Bar. Im Hintergrund spielte leise Musik, stets wechselnde Variationen, die mathematisch erzeugt wurden. Schemenhafte Gestalten bewegten sich geschickt von Tisch zu Tisch durch den halbdunklen Raum. Lautlos effiziente Robotkellner.
    Während Anita an ihrem Tom Collins nippte, schilderte ihr Baines, was sie bislang festgestellt hatten.
    »Wie groß sind denn die Chancen«, fragte Anita langsam, »daß er eine Art Ablenkungskegel aufgebaut hat? Es hat da mal eine Art gegeben, die ihre Umgebung durch direkten mentalen Einfluß krümmen konnte. Ohne Werkzeuge. Direkt Geist auf Materie.«
    »Psychokinese?« Baines trommelte mit den Fingern unruhig auf der Tischplatte. »Das bezweifle ich. Das Ding verfügt über die Fähigkeit, vorherzusagen, nicht zu kontrollieren. Er kann die Strahlen nicht aufhalten, aber aus dem Wege gehen kann er ihnen.«
    »Springt er zwischen den Molekülen?«
    Baines fand das gar nicht spaßig. »Das ist sehr ernst. Wir haben jetzt seit sechzig Jahren mit diesen Dingen zu tun – länger als wir beide auf der Welt sind, zusammengenommen. Bis jetzt sind siebenundachtzig Typen von AWs aufgetaucht, echte Mutanten, die sich fortpflanzen könnten, nicht nur irgendwelche Mißgeburten. Das hier ist die achtundachtzigste Type… Bis jetzt sind wir noch mit jeder zurande gekommen, aber diese…«
    »Warum machst du dir über diese so große Sorgen?«
    »Zum ersten – es ist achtzehn Jahre alt. Das für sich alleine betrachtet, ist schon unglaublich. Seine Familie hat es so lange verbergen können.«
    »Die Frauen in der Umgebung von Denver waren älter. Die mit…«
    »Sie waren in einem Regierungslager. Jemand ganz oben spielte mit der Idee, ihnen die Fortpflanzung zu gestatten. Für irgendwelchen industriellen Einsatz. Wir haben jahrelang mit der Euthanasie gezögert. Aber Cris Johnson ist außerhalb unserer Kontrolle am Leben geblieben. Diese Geschöpfe in Denver befanden sich unter dauernder Überwachung.«
    »Vielleicht ist er harmlos. Ihr geht immer davon aus, daß ein AW gefährlich ist. Vielleicht ist er sogar nützlich. Jemand dachte damals, diese Frauen könnten irgendwo gebraucht werden. Vielleicht hat dieses Ding etwas, das der Rasse einen Fortschritt bringen würde.«
    »Welcher Rasse? Nicht der menschlichen Rasse. Das ist ein typischer Fall von ›Operation gelungen, Patient gestorben‹. Wenn wir einen Mutanten einsetzen, um uns in Schwung zu halten, dann werden am Ende Mutanten und nicht wir die Erben der Erde sein. Mutanten, die um ihrer selbst willen überleben. Du darfst keinen Augenblick lang glauben, daß wir ihnen Vorhängeschlösser anhängen können und damit rechnen, daß sie uns dienen. Wenn sie dem Homo sapiens wirklich überlegen sind, dann gewinnen sie in jedem Wettbewerb. Um selbst zu überleben, müssen wir ihnen von Anfang an die schwächeren Karten zuspielen.«
    »Mit anderen Worten, wir werden den Homo superior dann erkennen, wenn er auftritt – per definitionem. Er wird derjenige sein, den wir nicht euthanasieren können.«
    »So könnte man es ausdrücken«, antwortete Baines. »Immer vorausgesetzt, daß es einen Homo superior gibt. Vielleicht ist es am Ende nur ein Homo sapiens mit einer kleinen Verbesserung.«
    »Die Neandertaler dachten wahrscheinlich auch, daß der Cro-Magnon-Mensch nur einen kleinen Fortschritt darstellte. Eine etwas gesteigerte Fähigkeit, Symbole zu beschwören und Feuerstein zu bearbeiten. Nach deiner Beschreibung ist dieses Ding viel radikaler als eine bloße Verbesserung.«
    »Dieses Ding«, sagte Baines langsam, »besitzt die Fähigkeit der Präkognition. Bis jetzt ist es imstande gewesen, am Leben zu bleiben. Es war imstande, besser als du oder ich mit Situationen zurechtzukommen. Wie lange, glaubst du wohl, würden wir in dieser Kammer am Leben bleiben, wenn man uns mit Energiestrahlen beschießt? In gewissem Sinne besitzt es die höchste Überlebensfähigkeit. Wenn es immer genau sein kann…«
    Ein Wandlautsprecher ertönte: »Baines, man braucht Sie im Labor. Schauen Sie zu, daß Sie aus der Bar rauskommen!«
    Baines schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Komm mit! Vielleicht interessiert dich, was Wisdom sich da zusammengeträumt hat.«
    Eine Gruppe hoher AWKA-Beamter stand im Kreise herum, alles Männer in mittleren Jahren mit grauen Haaren, die einem hageren, jungen Mann mit weißem Hemd und hochgekrempelten Ärmeln zuhörten, der ihnen

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