Titan 22
einen komplizierten Würfel aus Metall und Plastik erklärte, der die Sichtplattform füllte. Von dem Würfel ging ein häßliches Gewirr von Rohren aus und Kabeln, die in einem komplizierten Drähtegewirr verschwanden.
»Dies«, sagte der junge Mann gerade munter, »ist der erste richtige Test. Es feuert willkürlich – so willkürlich, wie wir das nur schaffen zumindest. Kugeln werden in einem Luftstrom hochgewirbelt, fallen herunter und lösen Relais aus. Sie können jedem beliebigen Schema folgen. Und nach diesem Schema feuert dieses Ding. Jedesmal, wenn eine Kugel herunterfällt, ergibt das eine neue Konfiguration aus Ort und Zeit. Insgesamt zehn Rohre. Und jedes wird in dauernder Bewegung sein.«
»Und niemand weiß, wie sie feuern werden?« fragte Anita.
»Niemand.« Wisdom rieb seine dicken Hände. »Gedankenlesen hilft ihm also nichts, nicht bei diesem Ding.«
Anita trat an die Sichtfenster, während der Schießapparat herangerollt wurde. »Ist er das?« stöhnte sie.
»Was ist denn?« fragte Baines.
Anitas Wangen hatten sich gerötet. »Nun, ich habe ein… ein Ding erwartet. Mein Gott, ist der schön! Wie eine goldene Statue. Wie eine Gottheit!«
Baines lachte. »Er ist achtzehn Jahre alt, Anita. Zu jung für dich.«
Die Frau spähte noch immer durch die Sichtluke. »Schau ihn dir an! Achtzehn? Das glaube ich nicht.«
Cris Johnson saß mitten im Raum auf dem Boden. Seine Haltung wirkte, als meditiere er, mit gebeugtem Kopf, verschränkten Armen, die Beine im Sitzen gekreuzt. Im grellen Schein der Deckenbeleuchtung glühte sein kräftiger Körper golden, eine schimmernde Figur aus flaumbedecktem Gold.
»Hübsch, nicht wahr?« murmelte Wisdom. »Also gut. Fangen wir an!«
»Sie werden ihn töten?« fragte Anita.
»Wir werden es versuchen.« Wisdom grinste.
»Aber er ist…« Sie hielt etwas unsicher inne. »Er ist kein Ungeheuer. Er ist nicht so wie diese anderen, diese scheußlichen Mißgeburten mit zwei Köpfen oder jene Insektenartigen. Oder die schrecklichen Geschöpfe aus Tunis.«
»Was ist er dann?« fragte Baines.
»Ich weiß nicht. Aber ihr könnt ihn doch nicht einfach töten. Das ist schrecklich!«
Der Würfel erwachte mit einem Klicken zum Leben. Die Mündungen ruckten, veränderten lautlos ihre Position. Drei wurden eingezogen, verschwanden im Inneren des Apparats. Andere kamen heraus. Schnell und effizient nahmen sie Position ein – und eröffneten dann abrupt und ohne Warnung das Feuer.
Ein Energiestrahl zuckte hervor, fächerte auf, ein kompliziertes Muster, das sich jeden Augenblick änderte, unterschiedliche Winkel, unterschiedliche Geschwindigkeiten, ein verwirrendes Durcheinander aus Licht und Feuer, das aus den Sichtluken in den Raum hinunter sprühte.
Die goldene Gestalt bewegte sich. Er tänzelte vor und zurück, wich geschickt den Energiestrahlen aus, die zu allen Seiten von ihm niederzuckten. Wolken von Asche versperrten die Sicht auf ihn; dann war er in einem Nebel aus zuckendem Feuer und Asche verschwunden.
»Aufhören!« schrie Anita. »Um Himmels willen, ihr zerstört ihn ja!«
Der Raum war ein Inferno der Energie. Die Gestalt war völlig verschwunden. Wisdom wartete einen Augenblick lang und nickte dann den Technikern zu, die den Würfel bedienten. Sie drückten Knöpfe, worauf die Mündungen langsamer wurden und sich schließlich zurückzogen. Dann herrschte Stille. Das Summen, das von dem Würfel ausgegangen war, war verstummt.
Cris Johnson war noch am Leben. Er trat aus den sich herniedersenkenden Aschenwolken hervor, geschwärzt und versengt. Aber unverletzt. Er war jedem einzelnen Strahl ausgewichen. Er war zwischen ihnen hin-und hergesprungen wie sie kamen, ein Tänzer, der über glitzernde Schwertspitzen aus rosafarbenem Feuer sprang. Er hatte überlebt.
»Nein«, murmelte Wisdom erschüttert und finster. »Kein Telepath. Die Strahlen waren völlig willkürlich. Kein vorbestimmtes Muster.«
Die drei sahen einander an, benommen und verängstigt. Anita zitterte. Ihr Gesicht war blaß, ihre blauen Augen geweitet. »Was dann?« Sie flüsterte es. »Was ist es? Was hat er?«
»Vielleicht versteht er sich gut aufs Raten«, schlug Wisdom vor.
»Der rät nicht«, antwortete Baines. »Machen Sie sich nichts vor! Genau darauf kommt es jetzt an.«
»Nein, er rät nicht.« Wisdom nickte langsam. »Er wußte es. Er hat jeden Strahl vorhergesagt. Ich frage mich nur… kann er irren? Kann er einen Fehler machen?«
»Wir haben ihn immerhin gefangen«, meinte
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