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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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nichts anderes als ein Tier.«
    »Ein Tier«, sagte Wisdom. »Mit einer einzigen hochentwickelten Fähigkeit. Kein überlegener Mensch. Überhaupt kein Mensch.«
    Durch die Korridore des AWKA-Gebäudes polterten Wächter und Geräte. Immer mehr Zivilpolizisten strömten in das Gebäude und verstärkten den Kordon der Wächter. Ein Korridor nach dem anderen, ein Raum nach dem anderen wurde inspiziert und abgeriegelt. Über kurz oder lang würde man die goldene Gestalt von Cris Johnson finden und in die Enge treiben.
    »Wir hatten immer die Angst, daß eines Tages ein Mutant mit überlegenen intellektuellen Kräften auftauchen würde«, sagte Baines nachdenklich. »Ein AW, der gegenüber uns das sein würde, was wir gegenüber den großen Affen sind. Etwas mit riesigem Schädel, telepathischen Fähigkeiten, einem perfekten semantischem System und unübertroffenen Kräften der Symbolisierung und Kalkulation. Eine Entwicklung auf unserem eigenen Wege. Ein besseres menschliches Geschöpf.«
    »Er handelt reflexartig«, sagte Anita verwundert. Sie hatte die Analyse und saß an einem Tische und studierte sie intensiv. »Reflex – wie ein Löwe. Ein goldener Löwe.« Sie schob das Band beiseite, und ein seltsamer Ausdruck beherrschte ihr Gesicht. »Der Löwengott.«
    »Bestie«, korrigierte Wisdom spitz. »Blonde Bestie, meinen Sie.«
    »Er kann schnell laufen«, sagte Baines. »Und das ist alles. Keine Werkzeuge. Er baut nicht und benutzt auch nichts außer seinen Körper. Er steht nur da und wartet auf die richtige Gelegenheit – und dann rennt er wie der Teufel.«
    »Das ist schlimmer als alles, was wir erwartet haben«, sagte Wisdom. Sein fleischiges Gesicht war grau wie Blei. Er wirkte zusammengefallen wie ein alter Mann, und seine klobigen Hände zitterten. »Man stelle sich vor, ein Tier soll uns ersetzen! Etwas, das rennt und sich versteckt. Etwas ohne Sprache!« Er spuckte wütend auf den Boden. »Deshalb konnten wir nicht mit ihm kommunizieren. Wir fragten uns immer, was für ein semantisches System es hätte. Dabei hat es gar keines! Keine größere Fähigkeit zum Reden und Denken als ein… ein Hund.«
    »Das bedeutet, daß die Intelligenz versagt hat«, fuhr Baines mit belegter Stimme fort. »Wir sind die letzten unserer Art – wie die Dinosaurier. Wir haben die Intelligenz so weit getragen, wie es geht. Zu weit vielleicht. Wir haben bereits den Punkt erreicht, wo wir so viel wissen – so viel denken –, daß wir nicht mehr handeln können.«
    »Männer des Gedankens«, sagte Anita. »Nicht Männer der Tat. Es hat angefangen, eine lähmende Wirkung zu haben. Aber dieses Ding…«
    »Die Fähigkeiten dieses Geschöpfs funktionieren besser, als die unseren je funktioniert haben. Wir können uns an vergangene Erfahrungen zurückerinnern, sie im Geiste behalten, aus ihnen lernen. Bestenfalls können wir kluge Vermutungen bezüglich der Zukunft anstellen, und zwar aus unserer Erinnerung dessen, was in der Vergangenheit geschehen ist. Aber sicher sein können wir nicht. Wir müssen von Wahrscheinlichkeiten ausgehen. In Grauzonen operieren. Wir raten nur.«
    »Cris Johnson rät nicht«, fügte Anita hinzu.
    »Er kann in die Zukunft sehen. Sehen, was kommt. Er kann – vordenken. Wollen wir es so nennen. Er kann in die Zukunft sehen. Wahrscheinlich nimmt er sie gar nicht als Zukunft wahr.«
    »Nein«, meinte Anita nachdenklich. »Ihm würde sie wie die Gegenwart erscheinen. Er hat eine weiterreichende Gegenwart. Aber seine Gegenwart liegt vor ihm, nicht hinter ihm. Unsere Gegenwart bezieht sich auf die Vergangenheit. Für uns ist nur die Vergangenheit sicher. Für ihn ist die Zukunft sicher. Und wahrscheinlich erinnert er sich überhaupt nicht an die Vergangenheit, ebensowenig, wie kein Tier im Gedächtnis behält, was geschehen ist.«
    »Während er sich weiterentwickelt«, sagte Baines, »während seine Rasse sich weiterentwickelt, wird sie wahrscheinlich ihre Fähigkeit vorzudenken ausweiten. Statt zehn Minuten dreißig Minuten. Dann eine Stunde. Einen Tag. Ein Jahr. Am Ende werden sie imstande sein, ein ganzes Leben vorauszudenken. Jeder von ihnen wird in einer soliden, unveränderbaren Welt leben. Es wird keine Variablen geben, keine Unsicherheit. Keine Bewegung! Sie werden nichts zu fürchten haben. Ihre Welt wird perfekt statisch sein, ein solider Block aus Materie.«
    »Und wenn der Tod kommt«, sagte Anita, »werden sie ihn akzeptieren. Es wird keinen Kampf geben, keine Auseinandersetzung. Für sie wird er

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