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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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werden.« Wisdom tippte auf einen Stapel Bandspulen. »Das hier ist der komplette Bericht, sämtliches Material, das wir von Johnson und seiner Familie bekamen. Wir haben sie mit Psychosoße vollgepumpt und sie nach Hause geschickt. Achtzehn Jahre – und keine semantische Brücke. Und doch wirkt er völlig entwickelt. Mit dreizehn ausgereift – ein kürzerer, schnellerer Lebenszyklus als der unsere. Aber warum die Mähne? All der goldene Flaum? Wie eine römische Statue, die man vergoldet hat.«
    »Ist der Bericht aus dem Analyseraum schon da? Sie hatten ein paar EEG machen wollen.«
    »Sein Gehirnmuster ist gründlich aufgezeichnet worden. Aber die brauchen eine Weile, um das alles zu analysieren. Wir rennen herum wie die Irren, und der sitzt einfach da!« Wisdom wies mit dem Finger auf das Fenster. »Gefangen haben wir ihn ja ganz leicht. Viel kann er doch nicht haben, oder? Aber ich würde wirklich gerne wissen, was es ist. Ehe wir ihn euthanasieren.«
    »Vielleicht sollten wir ihn am Leben halten, bis wir es wissen.«
    »Euthanasie in achtundvierzig Stunden«, wiederholte Wisdom stur. »Ob wir es nun wissen oder nicht. Ich mag ihn nicht. Wenn ich ihn ansehe, läuft es mir kalt über den Rücken.«
    Wisdom stand da und kaute nervös auf seiner Zigarre herum, ein rothaariger Mann mit fleischigem Gesicht, dick und vierschrötig, mit mächtigem Brustkasten und kalten, scharf blickenden Augen, die tief in seinem harten Gesicht saßen. Ed Wisdom war der Direktor der Nordamerikasektion von AWKA. Aber im Augenblick machte er sich wirklich Sorgen. Seine winzigen Augen huschten hin und her, ein erschrecktes, graues Flackern in seinem brutalen, massigen Gesicht.
    »Sie meinen«, sagte Baines langsam, »daß es das ist?«
    »Das meine ich jedesmal«, brauste Wisdom auf. »Das muß ich meinen.«
    »Ich meine…«
    »Ich weiß schon, was Sie meinen.« Wisdom ging zwischen den Arbeitstischen, den Technikern an ihren Werkbänken und Computern auf und ab. Ringsum summten die Bandgeräte und Scanner. »Dieses Ding hat achtzehn Jahre mit seiner Familie gelebt, und die verstehen es nicht. Die wissen nicht, was es hat. Sie wissen, was es tut, aber nicht wie.«
    »Was tut es denn?«
    »Es weiß Dinge.«
    »Was für Dinge?«
    Wisdom zog sein Peitschrohr vom Gürtel und warf es auf einen Tisch. »Hier.« »Was?«
    »Hier!« Wisdom gab ein Zeichen, und ein Sichtfenster wurde einen Spalt breit geöffnet. »Erschießen Sie ihn!«
    Baines blinzelte. »Sie haben doch gesagt, erst in achtundvierzig Stunden.«
    Wisdom griff sich mit einem Fluch das Rohr, zielte durch das Fenster auf den Rücken des Sitzenden und drückte ab.
    Ein blendender, rosafarbener Blitz. Eine Wolke von Energie glühte mitten im Raum auf. Sie funkelte und erstarb zu dunkler Asche.
    »Du großer Gott!« stieß Baines hervor. »Sie…«
    Er verstummte. Die Gestalt saß nicht mehr. Während Wisdom feuerte, hatte sie sich blitzartig aus der Zielrichtung des Strahls wegbewegt, in die Ecke des Raums. Jetzt kam sie langsam zurück, das Gesicht ausdruckslos, scheinbar immer noch in Gedanken versunken.
    »Das fünftemal«, sagte Wisdom, während er das Rohr wegsteckte. »Das letztemal haben Jamison und ich gemeinsam gefeuert. Verfehlt. Er wußte genau, wann die zwei Strahlen treffen würden. Und wo.«
    Baines und Wisdom sahen einander an. Sie dachten beide das gleiche. »Aber selbst wenn er Gedanken lesen kann, dann würde er doch noch nicht wissen, wo sie treffen würden«, sagte Baines. »Wann vielleicht. Aber nicht wo. Hätten Sie es denn gewußt?«
    »Bei dem meinen nicht«, antwortete Wisdom. »Ich habe ganz schnell geschossen, fast willkürlich.« Er runzelte die Stirn. »Willkürlich. Das müßten wir vielleicht testen.« Er winkte eine Gruppe von Technikern heran. »Holen Sie ein Arbeitsteam rauf!
    Aber fix!« Er schnappte sich Papier und Bleistift und begann eine Skizze hinzuwerfen.
    Während der Bauarbeiten traf sich Baines mit seiner Verlobten im Vorraum des Labors, einem großen Saal im Inneren des AWKA-Gebäudes.
    »Macht ihr Fortschritte?« fragte sie. Anita Ferris war hochgewachsen und blond, eine Frau mit blauen Augen und einer reifen, gepflegten Figur. Eine attraktive, kompetent wirkende Frau Ende der zwanzig. Sie trug ein Kleid aus Metallfolie mit dazu passendem Cape – mit roten und schwarzen Streifen am Ärmel, dem Emblem der A-Klasse. Anita war Direktorin der Semantikagentur, eine Regierungskoordinatorin der obersten Stufe. »Irgend etwas Interessantes

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