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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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bereits geschehen sein.«
    »Bereits geschehen sein«, wiederholte Baines. »Für Cris sind unsere Schüsse bereits abgefeuert worden. Überlegene Überlebensfähigkeit bedeutet nicht zugleich überlegene Menschen. Wenn es wieder eine weltweite Flut gäbe, würden nur die Fische überleben. Wenn es wieder eine Eiszeit gäbe, dann wären am Ende vielleicht nur noch die Polarbären übrig. Als wir die Schleuse öffneten, hatte er die Männer bereits gesehen, hatte gesehen, wo sie standen und was sie tun würden. Gar nicht so übel, diese Fähigkeit – aber keine geistige Entwicklung. Ein reiner physischer Sinn.«
    »Aber wenn jeder Ausgang gesichert ist«, wiederholte Wisdom, »wird er sehen, daß er nicht hinauskann. Er hat schon einmal aufgegeben – er wird sich wieder stellen.« Er schüttelte den Kopf. »Ein Tier. Ohne Sprache. Ohne Werkzeuge.«
    »Mit seinem neuen Sinn«, sagte Baines, »braucht er sonst nichts.« Er sah auf die Uhr. »Es ist nach zwei. Ist das Gebäude völlig abgeriegelt?«
    »Sie können nicht hinaus«, erklärte Wisdom. »Sie werden die ganze Nacht hierbleiben müssen – oder bis wir das Ding haben.«
    »Ich habe sie gemeint«, sagte Baines und deutete mit einer Kopfbewegung auf Anita. »Sie soll um sieben Uhr früh in der Semantik sein.«
    »Über sie habe ich keine Kontrolle«, meinte Wisdom und zuckte die Achseln. »Wenn sie will, kann sie ja gehen.«
    »Ich bleibe«, entschied Anita. »Ich will hier sein, wenn er… wenn er vernichtet wird. Ich werde hier schlafen.« Sie zögerte. »Wisdom, gibt es wirklich keinen anderen Weg? Wenn er nur ein Tier ist, könnten wir dann nicht…«
    »Ein Zoo?« Wisdoms Stimme klang fast hysterisch. »Ihn in einem Zoo einpferchen? Herrgott, nein! Es muß getötet werden!«
    Lange Zeit kauerte die große, schimmernde Gestalt in der Finsternis. Er befand sich in einem Lagerraum. Auf allen Seiten türmten sich Schachteln und Kartons, ordentlich aufgestapelt, alle sorgfältig gezählt und markiert. Stumm und verlassen.
    Aber in ein paar Augenblicken platzten Leute in den Raum und durchsuchten ihn. Das konnte er sehen. Er sah sie überall im Raum, klar und deutlich. Männer mit Peitschrohren, grimmigen Gesichtern und Mord in den Augen.
    Das Bild war eines von vielen. Eines aus einer Vielzahl von deutlich ausgeätzten Szenen, die an die seine angrenzten, und an jede einzelne grenzte eine weitere Vielfalt miteinander verbundener Szenen, die schließlich immer nebelhafter wurden und am Ende verblaßten. Eine vage Progression, und jedes Bild war weniger deutlich als das vorangehende.
    Aber das Unmittelbare, die Szene, die am nächsten vor ihm lag, war deutlich sichtbar. Er konnte leicht das Bild der bewaffneten Männer ausmachen. Deshalb war es notwendig, den Raum zu verlassen, ehe sie auftauchten. Die goldene Gestalt richtete sich ruhig auf und ging zur Tür. Der Korridor war leer; er konnte sich selbst bereits draußen sehen/in der leeren, dröhnenden Halle aus Metall und in den Wänden versenkten Lichtern. Er stieß die Tür kühn auf und trat hinaus.
    Auf der anderen Seite der Halle war ein Lift. Er ging hinüber und betrat ihn. In fünf Minuten würde eine Gruppe von Wächtern gerannt kommen und sich in den Lift drängen. Aber bis dahin würde er ihn bereits wieder verlassen und nach unten geschickt haben. Jetzt drückte er einen Knopf und fuhr ins nächste Stockwerk.
    Er trat in einen verlassenen Flur. Niemand zu sehen. Das überraschte ihn nicht. Er konnte nicht überrascht werden. Das Element der Überraschung existierte für ihn nicht. Die Position der Dinge, die räumliche Beziehung jeglicher Materie in der unmittelbaren Zukunft war für ihn ebenso sicher wie sein eigener Körper. Das einzig Unbekannte war das, was bereits nicht mehr existierte. Auf vage, unbestimmte Art hatte er sich gelegentlich gefragt, wo die Dinge wohl hingingen, nachdem er sie passiert hatte.
    Er erreichte einen kleinen Vorratsschrank. Man hatte ihn durchsucht, in der nächsten halben Stunde würde ihn niemand öffnen. So viel Zeit hatte er; so weit konnte er in die Zukunft blicken.
    Und dann würde er einen weiteren Bereich sehen können, eine Region, die dahinterlag. Er bewegte sich die ganze Zeit, trat in neue Regionen hinein, die er nie zuvor gesehen hatte. Ein dauernd sich entfaltendes Panorama aus Bildern und Szenen, gefrorenen Landschaften breitete sich vor ihm aus. Alle Gegenstände waren fixiert. Figuren auf einem riesigen Schachbrett, zwischen denen er sich mit

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