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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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Cris Johnson stand furchtlos da, er hatte überhaupt keine Angst. Warum nicht? Begriff er nicht, was das war? Was das kleine Metallrohr an ihm bewirken konnte?
    »Natürlich«, sagte sie plötzlich mit halb erstickt flüsternder Stimme. »Du kannst in die Zukunft sehen. Du weißt, daß ich dich nicht töten werde. Sonst wärest du nicht hierhergekommen.«
    Ihr Gesicht rötete sich vor Schreck – und Verlegenheit. Er wußte genau, was sie tun würde; er konnte das ebenso leicht sehen, wie sie die Wände des Raums sah, das Wandbett mit der zurückgefalteten Decke, ihre Kleider, die im Schrank hingen, ihre Handtasche und die verschiedenen Utensilien auf dem Ankleidetisch.
    »Also gut.« Anita trat zurück und legte dann abrupt das Rohr auf den Ankleidetisch. »Ich werde dich nicht töten. Warum sollte ich?« Sie suchte in ihrer Handtasche herum und holte ihre Zigaretten heraus. Mit bebenden Händen zündete sie sich eine an, ihr Puls raste, sie hatte Angst. Und war zugleich seltsam fasziniert. »Hast du vor, hierzubleiben? Das wird dir nichts nützen. Die sind schon zweimal durch den Schlaftrakt gekommen. Die kommen wieder.«
    Konnte er sie verstehen? Sie sah nichts in seinem Gesicht, keine Regung, nur ausdruckslose Würde. Herrgott, wie groß er doch war! Es war unmöglich, daß er nur achtzehn war, ein Junge, ein Kind. Er sah eher aus wie ein großer goldener Gott, der auf die Erde herabgestiegen war. Sie schüttelte den Gedanken wild entschlossen von sich. Er war kein Gott, er war eine Bestie. Die blonde Bestie, die gekommen war, um die Stelle des Menschen einzunehmen. Um den Menschen von der Erde zu verjagen.
    Anita griff wieder nach ihrem Peitschrohr. »Verschwinde hier! Du bist ein Tier! Ein großes, dummes Tier! Du kannst nicht einmal verstehen, was ich sage – du hast ja nicht einmal eine Sprache. Du bist kein Mensch!«
    Cris Johnson blieb stumm. So als warte er. Doch worauf wartete er? Er zeigte keine Anzeichen von Furcht oder Ungeduld, obwohl vom Korridor das Geräusch der suchenden Männer zu hören war, das Klirren von Metall auf Metall, von Gewehren und Energierohren, die herumgeschleppt wurden, Rufe und undeutliches Poltern, während ein Abschnitt des Gebäudes nach dem anderen durchsucht und abgesperrt wurde.
    »Die werden dich kriegen«, sagte Anita. »Man wird die Falle hier zuschnappen lassen. Die werden diesen Flügel jeden Augenblick durchsuchen.« Wütend drückte sie ihre Zigarette aus. »Um Himmels willen, was erwartest du eigentlich von mir? Was glaubst du, daß ich tue?«
    Cris bewegte sich auf sie zu. Anita zuckte zurück. Seine mächtigen Hände packten sie, und sie stöhnte in plötzlichem Schrecken auf. Einen Augenblick lang wehrte sie sich blindlings, verzweifelt.
    »Loslassen!« Sie riß sich los und wich zurück. Sein Gesicht war ausdruckslos. Ruhig kam er auf sie zu, ein leidenschaftsloser Gott, der auf sie zukam, um sie zu nehmen. »Weg da!« Sie tastete nach dem Peitschrohr, versuchte, es schußbereit zu machen, aber das Rohr entglitt ihren bebenden Fingern und rollte auf den Boden.
    Cris beugte sich vor und hob es auf. Er hielt es ihr hin, in der offenen Hand.
    »Du lieber Gott«, flüsterte Anita. Zitternd nahm sie das Rohr entgegen, umfaßte es zögernd und legte es wieder auf den Ankleidetisch.
    Im Halbdunkel des Raums schien die große, goldene Gestalt zu leuchten und zu schimmern, die Dunkelheit zu verdrängen.
    Ein Gott – nein, kein Gott, ein Tier! Eine große, goldene Bestie ohne Seele! Sie war verwirrt. Was war er nun – oder war er beides? Sie schüttelte verwirrt den Kopf. Es war spät, beinahe vier. Sie war erschöpft und verwirrt.
    Cris nahm sie in die Arme. Sanft, fast zärtlich hob er ihr Gesicht und küßte sie. Seine mächtigen Hände hielten sie an sich gedrückt. Sie konnte kaum atmen. Dunkelheit, in die sich der schimmernde goldene Schein mischte, umfing sie. Und dann kreiste sie um sie, immer schneller, und betäubte alle ihre Sinne. Sie ließ sich dankbar niedersinken. Die Dunkelheit umfing sie und löste sie in einem anschwellenden Strom schierer Kraft auf, der jeden Augenblick an Intensität gewann, bis sein Brüllen über ihr zusammenschlug und alles verdrängte.
    Anita blinzelte. Sie richtete sich auf und schob sich automatisch das Haar zurecht. Cris stand vor dem Kleiderschrank. Er griff in die Höhe, holte etwas herunter.
    Er drehte sich zu ihr um und warf etwas auf das Bett. Ihr schweres Reisecape aus Metallfolie.
    Anita sah, ohne zu begreifen, auf das

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