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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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aus mir selbst heraus zu produzieren. Das alles hat draußen im Weltraum angefangen, während wir uns dem Sonnensystem näherten. Ich fing an, mich zu fragen, ob wir das Schiff je lebend verlassen würden, oder wieder einen Sonnenuntergang sehen oder eine Morgendämmerung oder die Nacht oder einen Morgen, wie wir sie auf der Erde gesehen hatten, vor so… so langer Zeit. Und dann mußt e ich es einfach dazu kommen lassen. Es war etwas Vages, Seltsames. Etwas, das mich zwang. Aber gleichzeitig wollte ich es auch. Ich wünschte es herbei, fühlte, daß es notwendig war.« Sie hielt inne, runzelte die Stirn. »Daß es so sein würde – so weit habe ich gar nicht gedacht.«
    Er lächelte ein grimmiges Lächeln. »So etwas ist seit dreitausend Jahren nicht mehr auf der Erde geschehen. Ich kann mich erinnern, wie ich in der Schule in den Geschichtsbüchern las, wie die Erde übervölkert wurde, und wie Lebensmittel und Wasser rationiert werden mußten, und wie dann die Gesetze erlassen wurden, die die Geburt verboten. Und wie dann die Menschen starben und keine Babies mehr geboren wurden, bis am Ende für jeden genug von dem da war, was die Erde zu geben hatte. Und dann teilte man allen das mit den Gewebekulturen mit, und einige waren dagegen, aber denen hat man ihre Ablehnung bald abgewöhnt. Und damit hat man die Bevölkerung stabilisiert.« Er hielt inne. »Nach all dem glaube ich nicht, daß der Rat das, was du getan hast, zulassen wird.«
    »Nein«, sagte sie leise. »Das glaube ich auch nicht.«
    »Und deshalb wird das nur für uns sein.« Er nahm sie in die Arme. »Wenn ich mich richtig erinnere, ist das etwas ganz Traditionelles.« Wieder eine Pause. »Jetzt werde ich mit dir auf die Erde hinausgehen – wenn wir es schaffen. Wenn wir die Stadt verlassen können oder wenn wir… – nun, wir werden sehen.«
    Darauf schwiegen beide, und dann wandte er sich um und trat ans Fenster und blickte auf die Stadt hinunter. Sie kam zu ihm und stellte sich neben ihn.
    Sie sahen es beide gleichzeitig und beobachteten es schweigend und jeder wußte, was der andere dachte und was er empfand. Sie sahen die riesigen, dreidimensionalen Bildschirme überall in der Stadt. Ein grüner, üppiger Planet, Schiffe zwischen den Bäumen und Menschen, die durchs Gras gingen, Menschen, die sich sanft bewegten wie die Dünung auf einem ruhigen Meer, während die Gedanken, die die Bildschirme projizierten, von ihrem Bewußtsein empfangen wurden.
    »Dies wird euer neues Zuhause sein. Man hat es gefunden und wieder verloren. Aber man wird eine weitere Expedition aussenden, um diese Welt wiederzufinden. Seid guter Hoffnung. Alles wird gut sein.«
    Michael wandte sich vom Fenster ab. »Da sind also unsere Beweise. Zweitausend Jahre. All die anderen mußten sterben, um das zu finden. Und dann wird einfach eine Lüge daraus.«
    Mary setzte sich und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
    »Wie schrecklich wir doch hier versagt haben«, sagte Michael. »Ein ganzer Planet vernachlässigt und vernichtet. Es ist wie eine Familie, die zuläßt, daß ihr Haus um sie herum zerfällt, und die in immer kleineren Zimmern lebt, bis am Ende kein Zimmer mehr da ist, und dann sterben sie in den Ruinen des letzten Zimmers, weil sie kein anderes Haus finden können.«
    »Ich kann mir einfach nicht vorstellen«, sagte Mary leise, »daß ich eingezwängt unter all diesen Leuten sterben muß, in diesem Grab, das sie rings um die Meere errichtet haben. Wenn ich sterbe, will ich den offenen Himmel über mir haben und Stille, fern von diesen schrecklich pochenden Pumpen. Ich will die Erde um mich herum und saubere Luft. Ich will wieder Teil der Erde sein.«
    Und Michael nickte versonnen. Er stand ganz ruhig da.
    Und dann war das Geräusch der sich öffnenden Tür zu hören.
    Sie erhoben sich beide wie Leidtragende bei einem Begräbnis und traten in den Ratssaal.
    Wieder saßen sie auf den schwellenden Sesseln vor der Phalanx aus Schreibtischen, den Gesichtern der Ratsmitglieder gegenüber, die sie wie Verteidiger ansahen.
    Die Pumpen pochten, pochten in der Stille und erfüllten den ganzen Raum.
    Der Präsident war aufgestanden. Er sah Michael und Mary an, und seine Haltung war die eines Menschen, der im Begriff ist, einen Schlag auszuteilen oder einen entgegenzunehmen.
    »Michael und Mary«, sagte er, und seine Stimme schien gegen irgend etwas anzukämpfen, das ihn festhielt, »wir haben lange überlegt, was mit Ihnen geschehen soll und mit dem Bericht, den Sie uns aus der

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