Titan 22
Galaxis mitgebracht haben.« Er nahm einen Schluck aus seinem Wasserglas. »Um die Menschen und ihren Verstand zu schützen, haben wir Ihren Bericht geändert. Und dann haben wir entschieden, daß man die Menschen auch davor schützen muß, daß Sie die Wahrheit verbreiten, so wie Sie es auf dem Landefeld getan haben. Also wird man Sie zum Nutzen der Menschen isolieren. Man wird Ihnen jede Bequemlichkeit zuteil werden lassen, schließlich sin d Sie in gewissem Sinne Helden und Märtyrer. Man wird Ihr Gewebe weiter hegen, so wie in der Vergangenheit, und Sie werden so lange in Einzelhaft bleiben, bis wir vielleicht zu einem anderen Planeten auswandern können. Wir haben das Gefühl, daß man die Hoffnung nicht zerstören darf. Und deshalb wird eine andere Expedition ausgesandt. Mag sein, daß Sie irgendwann einmal auf einem anderen Planeten wieder Ihren Platz in unserer Gesellschaft einnehmen können.«
Er machte eine Pause. »Gibt es etwas, das Sie noch sagen wollen?«
»Ja, so etwas gibt es.«
»Sprechen Sie!«
Michael starrte den Präsidenten an. Und dann hob er nach einer langen Pause die Hand an das winzige Amulett, das um seinen Hals hing.
»Vielleicht erinnern Sie sich an die Amulette, die man am Abend vor unserem Abflug jedem Mitglied der Expedition gegeben hat«, sagte er. »Ich habe das meine immer noch.« Er hob es hoch. »Ebenso meine Frau. Sie sind so konstruiert, daß sie ihren Träger unverzüglich und schmerzlos töten, falls er sich je unerträglichen Schmerzen oder etwas Schrecklichem gegenübersehen sollte, dem er nicht standzuhalten vermag.«
Der Präsident hatte sich wieder erhoben. Ein Raunen ging durch den Saal.
»Wir können die Stadt nicht ertragen«, fuhr Michael fort. »Und ihr Leben nicht und die Art ihrer Menschen.« Er sah sich die Reihe von Gesichtern an.
»Wenn Sie nun das sagen wollen, was ich befürchte«, sagte der Präsident mit bebender Stimme, »dann wäre es besser gewesen, wenn Sie nie geboren worden wären.«
»Wir wollen doch den Tatsachen ins Auge sehen, Mr. President. Wir wurden geboren – und sind noch nicht gestorben, noch nicht.« Eine Pause. »Und wir können uns hier, gerade vor Ihren Augen, töten. Für uns wird es absolut schmerzlos sein. Wir werden sofort bewußtlos sein, doch Sie werden schreckliche Zuckungen und entsetzliche Grimassen sehen. Unsere Körper werden sich verkrümmen und sich winden, werden im Todeskampf um sich schlagen. Die Todesfälle, die Sie auf dem Bild gesehen haben, geschahen vor langer Zeit, draußen im Weltraum. Sie alle hatten hysterische Anfälle, als Sie das sahen. Wenn wir sterben, dann wird das vor Ihren Augen geschehen und schrecklich anzusehen sein.«
Der Präsident taumelte, als müßte er jeden Augenblick in Ohnmacht fallen. Ein Murmeln erhob sich an den Tischen; einige Leute sprangen auf; die Stimmen wurden lauter, zornig, ängstlich. Die Ratsmitglieder fuchtelten mit den Armen herum, schlugen mit den Fäusten auf die Tische, rissen sich die Krägen auf, rannten wie wild herum. Sie schrien einander an, packten sich an den Schultern und wurden dann plötzlich sehr still.
Dann verließen sie ihre Plätze und kamen, angeführt vom Präsidenten, auf den Mann und die Frau zu, versammelten sich in weitem Halbkreis um sie.
Michael und Mary hielten sich die Amulette an den Hals. Der Halbkreis aus Menschen mit dem Präsidenten in der Mitte rückte immer näher. Einige Gesichter waren schweißüberströmt und gerötet, andere kreidebleich und starr. Einige der Männer hoben die Hände, um sie zu ergreifen.
Michael legte den Arm um Marys Hüfte. Er spürte das Zittern in ihrem Körper, das Warten auf den Tod.
»Halt!« sagte er leise.
Sie blieben stehen, verwirrt, rührten sich nicht von der Stelle.
»Wenn Sie sehen wollen, wie wir sterben – dann brauchen Sie nur noch einen Schritt näherzukommen… Denken Sie daran, was dann mit Ihnen geschehen wird.«
Die Gesichter wandten sich von ihnen ab, jeder suchte bei seinem Nachbarn Zuflucht. Ein Murmeln, ein Flüstern erhob sich. »Schrecklich… sofort… nichts zu tun… der Weltraum hat ihnen den Verstand geraubt… sie werden es tun… seht nur ihre Augen an… was können wir tun?… Was?…« Die verschwitzten Gesichter, die weißen, die geröteten: sie alle wandten sich dem Präsidenten zu, der die beiden Menschen vor sich anstarrte, wie ein Mann, der im Spiegel seinen eigenen Tod beobachtet.
»Ich befehle Ihnen«, sagte er plötzlich mit halb erstickter Stimme, »mir…
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