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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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diese… Amulette zu geben! Das ist Ihre… Pflicht!«
    »Wir haben nur eine Pflicht, Mr. President«, sagte Michael scharf. »Die uns selbst gegenüber.«
    »Sie sind krank. Ergeben Sie sich uns! Wir werden Ihnen helfen.«
    »Wir haben unsere Wahl getroffen. Wir wollen eine Antwort. Schnell! Jetzt!«
    Der Präsident sackte in sich zusammen. »Was… was wollen Sie?«
    Michael warf es ihm hin. »Wir wollen vorbei an den Kraftfeldern der Stadt. Wir wollen hinausgehen auf die Erde und so lange leben, wie wir es schaffen, und dann eines natürlichen Todes sterben.«
    Der Halbkreis aus Gesichtern kam wieder in Bewegung, fing zu murmeln, zu flüstern an. »In Gottes Namen… laßt sie gehen… sie werden uns anstecken… wie Tiere… schafft sie hier weg… sollen sie doch… für uns alle am besten… und für sie…«
    Sie wandten sich alle wieder dem Präsidenten zu und schoben ihn vor, auf Michael und Mary zu, die so dicht beieinander standen, als wären sie miteinander verwachsen.
    Und er sagte stockend: »Geht! Bitte geht! Hinaus auf die Erde – um zu sterben. Ihr werdet sterben. Die Erde dort draußen ist tot. Ihr werdet nie wieder die Städte oder Eure Mitmenschen sehen.«
    »Wir wollen ein Fahrzeug«, sagte Michael. »Und Vorräte.« »Ein Fahrzeug«, wiederholte der Präsident. »Und – Vorräte… ja.« »Sie können uns ja eine Eskorte geben, wenn Sie wollen, die uns bis hinter die erste Bergkette bringt.« »Nein, keine Eskorte«, sagte der Präsident entschieden. »Viele hundert Jahre hat niemand die Erlaubnis erhalten, auf die Erde hinauszugehen oder über ihr zu fliegen. Wir wissen, daß es sie gibt, das ist genug. Ihren Anblick könnten wir nicht ertragen.« Er wich einen Schritt zurück. »Und Euren Anblick können wir auch nicht länger ertragen. Geht jetzt! Schnell!« Michael und Mary ließen ihre Amulette nicht los, während sie zusahen, wie der Halbkreis aus Gesichtern sich zurückzog, sie die ganze Zeit anstarrte wie Leichen, die eigentlich zu Boden sinken sollten.
    Es war Nacht. Die Stadt war hinter den toten Hügeln der Erde verschwunden, die wie tausend uralte Gräber hinter ihnen lagen. Das Fahrzeug bewegte sich über die geborstene Straße.
    Sie blickten durch die Sichtkuppel des Fahrzeugs nach oben und sahen die Sterne, die im blauschwarzen Meer des Weltraums versunken waren; sahen die Milchstraße, die sie entlanggezogen waren, während sie verzweifelt nach Rettung Ausschau gehalten hatten.
    »Meinst du, wenn eines der anderen Paare es geschafft hätte, daß sie dann bei uns wären?« fragte Mary.
    »Ich glaube, daß sie entweder bei uns wären, oder wieder draußen im Weltraum«, sagte er. »Oder im Gefängnis.«
    Sie blickte im Scheinwerferlicht nach vorne, das über die zerfallene Straße in die Nacht hinausstach.
    »Tut es dir leid, daß du mit mir kommst?« fragte sie leise.
    »Ich weiß nur, daß ich mich töten würde, wenn ich lange ohne dich draußen im Weltraum wäre.«
    »Werden wir hier draußen sterben, Michael?« fragte sie und deutete auf die Mauer aus Nacht, die sich jenseits des Scheinwerferlichts auftürmte. »Mit dem Land?«
    Er wandte sich von ihr ab und runzelte die Stirn, lenkte das Fahrzeug und sah zu, wie die Scheinwerfer die Finsternis vor sich herschoben.
    Die ganze Nacht folgten sie der zerbröckelnden Straße, bis das Licht über die kahlen, erodierten Hügel kroch. Die Morgensonne blickte über den Horizont auf die Verwüstung herab, während das Fahrzeug anhielt. Sie saßen lange Zeit da und blickten auf die ausgedörrte und entzündete Haut der Erde. In der Ferne türmte sich eine Mauer aus Bergen wie ein riesiger Haufen gebleichter Knochen auf. Rings um sie lagen die wogenden Ebenen der Erde, reglos im Tod erstarrt, und eine leichte Brise trieb kleine Sandwirbel vor sich her.
    »Ich steige jetzt aus«, sagte sie.
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wieviel weiter wir noch gehen sollen oder warum«, sagte Michael und zuckte die Achseln. »Es ist alles dasselbe, Sand und Hügel und Berge und Sonne und Staub. Es ist wirklich nicht viel anders als draußen im Weltraum. Wir leben im Fahrzeug wie in einem Raumschiff. Wir haben genug konzentrierte Lebensmittel für wenigstens ein Jahr. Wie weit sollen wir noch fahren? – Warum? – Wann?«
    Sie traten auf die Erde hinaus und fühlten die Wärme der Sonne und schlenderten den Hügel hinauf.
    »Die Luft riecht sauber«, sagte er.
    »Der Boden fühlt sich gut an. Ich glaube, ich werde meine Schuhe ausziehen.« Das

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