Titan 22
auftritt, so werden die gegen ihn gestellten Menschen gewöhnlich als Böse dargestellt.
Wir verstehen nun sehr wohl, daß menschliche Wesen, sei es nun einzeln oder in Massen auftretend, weder alle gut noch alle böse sind, und es ist eine Fehldarstellung der allgemeinen Erfahrung, anderes zu behaupten. (In gewissen Arten von Geschichten ist das natürlich ohne Belang oder kann sogar zum Vorteil ausgenutzt werden.)
Die zwei berühmtesten SF-Serien im Fernsehen »Star Trek« und »Dr. Who« gehen an diese Frage der Externalisierung des Bösen deutlich unterschiedlich heran. In »Star Trek« sind die Erdmenschen, insbesondere die Mannschaft des Raumschiffs ›Enterprise‹ immer die Braven, die die Bösen (die auf anderen Planeten leben) immer besiegen. (Wer weiß, vielleicht wäre schlichten Gemütern die Tatsache etwas zu schwer verdaulich, daß der Held der Show, der spitzohrige Mr. Spock, ein Alien ist, wenn man ihn nicht, um ihn glaubwürdig wirken zu lassen, als durch und durch braven Charakter darböte.)
»Dr. Who« hat stets auf eine jugendliche Zuschauerschicht gezielt. Und doch geht diese Serie mit dem Begriff des externalisierten Bösen wesentlich intelligenter um (wenn auch die Kulissen noch so primitiv sind). Die Aliens, die sich Dr. Who entgegenstellen, sind stets räuberisch, bösartig und kalt – und sehen darüber hinaus auch im allgemeinen so aus; ihren Höhepunkt erreichen sie in den Daleks, einer widerwärtigen Symbiose von Robotern und fötusähhlichen Homunculi, deren Befehl ›Vernichten!‹ für eine ganze Generation von Schulkindern zum Schlagwort geworden ist. Aber die Erdenmenschen in Dr. Who werden niemals als eindeutig gut dargestellt. Es gibt jedesmal eine Gruppe böser Menschen, die aus einer Invasion von Aliens Vorteile ziehen könnten, und mit denen Dr. Who und seine Amateurschar sich ebenfalls auseinandersetzen müssen.
Dieses Arrangement beruht ebenso sehr auf historischen Erkenntnissen wie psychologischer Beobachtung. Die Briten haben Indien mit denselben Methoden wie die Daleks erobert, indem sie teilten und herrschten.
Zunächst erschienen die Aliens in der Science Fiction einzeln, als seltene Geschöpfe, die man bestaunte, oder als schemenhafte Erscheinungen, die uns die Nachricht von unserer Belanglosigkeit überbrachten oder davon, daß man uns perfekt machen wollte. H. G. Wells hat all das verändert. Th e Wa r o f th e World s ließ die Marsianer in Scharen über uns hereinbrechen, und seitdem haben sie nicht aufgehört, uns heimzusuchen. Die Mutanten waren niemals imstande, so große Kontingente aufzustellen. Gewöhnlich treten sie einzeln auf, wie Philip K. Dicks goldener Mann, um vielleicht den gefährlichen Außenseiter in der Gesellschaft darzustellen.
In Fritz Leibers Geschichte gibt es wahrhaftig gefährliche Außenseiter! Bei ihm sind es nicht die Sanftmütigen, die einst seine Erde erben.
Die spaßigen Aliens in Laffertys Geschichte stellen eine besondere Art der Invasion der Erde dar und mischen sich nicht nur in die Geographie, sondern auch in die Historie ein. Der Reiz dieser exzentrischen kleinen Geschichte liegt nicht zuletzt auch in ihrem meditativen Schluß.
Was die Novelle William Tenns angeht, so ist es ein Vergnügen, sie in diese Anthologie aufzunehmen. Ich habe schon mehrfach versucht, sie in Anthologien unterzubringen, aber nicht geschafft (ursprünglich erschien sie in Galaxy, wo niemand etwas dabei fand, aber die englischen Verleger haben offenbar einen recht schwachen Magen). Und hier ist sie, in all ihrem gräßlichen Glanz.
In einer Hinsicht steht sie hier stellvertretend für all jene Invasion-der-Erde-Stories, die uns seit Wells Krie g de r Welte n Spaß gemacht haben. Tenns Invasoren, die Eoti, sind hinreichend widerlich, um jedem Geschmack gerecht zu werden. Insektenähnlich, ohne jegliches Verständnis für andere Spezies oder Interesse an ihnen, kommen sie von jenseits des Pluto herangesummt, um das ganze Sonnensystem, die Erde eingeschlossen, zu übernehmen. Eine Schlacht nach der anderen wird gekämpft, und die Eoti können ihre Reihen schneller wieder auffüllen als die Terrestrier. Und dies ist auch der Grund für die Geschichte – und der Grund dafür, daß die Erde eine grausliche Art fremden Lebens erfinden muß, um ihre Verteidigungslinien zu stärken. Wie alle Geschichten Tenns ist sie auf Logik aufgebaut, nur mit einem Schuß heimtückischen Wahnsinns. Und in diesem Fall noch mit einem Hauch von Verwesung.
In der
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