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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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keinen, und in ein paar Minuten ist ja alles wieder in Ordnung.« Und das ist es auch in ein paar Minuten. Das Unangenehme ist nur, daß man, ob es einem nun paßt oder nicht, vermutlich zu dem Kommando gehört, das die Aufgabe bekommt, die blutige Schmiere in diesem Höllenloch von den Wänden zu kratzen und die Düsen wieder in Betrieb zu setzen.
    Jetzt war es genauso. Kaum hatte ich die Stimme des Mädchens ausgeschaltet, da waren wir auch schon im fünfzehnten Stock angelangt (›Abschlußinstruktionen und Versand‹) und der Junge und ich mußten aussteigen.
    Er war wirklich grün im Gesicht, und seine Knie schienen aus Gummi zu bestehen. Die Schultern hingen ihm nach vorne. Eigentlich war ich ihm dankbar dafür. Nichts stützt einen so, als wenn man sich um einen anderen kümmern kann.
    »Kommen Sie, Commander!« flüsterte ich. »Sprung auf, Marsch, Marsch! Sie müssen es so sehen: Für Leute wie uns ist das schließlich das reinste Familientreffen.«
    Das hätte ich nicht sagen sollen. Er sah mich an, als hätte ich ihm eine Ohrfeige verpaßt. »Herzlichen Dank, Mister«, sagte er, »selbst wenn wir im gleichen Boot sitzen.« Dann ging er mit steifen Schritten auf das Mädchen am Empfang zu.
    Ich hätte mir die Zunge abbeißen können. Ich eilte hastig hinter ihm drein. »Tut mir leid, mein Junge«, sagte ich. »Das ist mir einfach so rausgerutscht. Aber seien Sie mir nicht böse. Mir tut es jetzt auch leid.«
    Er blieb stehen, schien zu überlegen und nickte dann. Dann grinste er. »Okay. Ist schon gut. Schließlich ist da ja ein Scheiß-krieg, oder?«
    Ich grinste zurück. »Scheißkrieg? Nun ja, wenn Sie nicht aufpassen, müssen Sie vielleicht sogar dran glauben.«
    Das Mädchen am Empfang war eine nette kleine Blondine mit zwei Eheringen an der rechten Hand und einem an der linken. Soviel ich über die augenblicklich gültigen Gebräuche wußte, bedeutete das, daß sie zweimal verwitwet war.
    Sie nahm unsere Marschbefehle entgegen und sprach in ihr Tischmikrofon: »Achtung. Ausbildungsabteilung. Achtung. Ausbildungsabteilung. Die folgenden Seriennummern für sofortigen Versand ausrufen: 70623152, 70623109, 70623166 und 70623123. Ebenso 70538966, 70538923, 70538980 und 70538397. Bitte lassen Sie sie durch die entsprechenden Abteilungen laufen und überprüfen Sie noch einmal, ob alle Daten auf dem TAF-Formular AGO 362 gemäß TAF Vorschrift 7896 vom 15. Juni 2145 richtig sind! Rufen Sie zurück, wenn die Abschlußbesprechung stattfinden kann!«
    Ich war beeindruckt. Fast der gleiche Vorgang, wie wenn man zur Versorgungsabteilung geht und sich einen Satz Heckdüsen holt.
    Sie blickte auf und beglückte uns mit einem kurzen Lächeln. »Ihre Mannschaften sind gleich soweit. Wollen Sie sich nicht setzen, meine Herren?«
    Wir setzten uns.
    Nach einer Weile stand sie auf, um etwas aus einem Aktenregal zu holen. Als sie zu ihrem Schreibtisch zurückging, sah ich, daß sie schwanger war – etwa im dritten oder vierten Monat –, und ich nickte zufrieden. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie der Junge ebenfalls nickte. Wir sahen einander an und grinsten. »Wirklich ein Scheißkrieg«, sagte er.
    »Wo kommen Sie denn her?« fragte ich ihn. »Ihrem Akzent nach stammen Sie nicht aus dem Dritten Distrikt.«
    »Da bin ich auch nicht her. Ich bin in Skandinavien geboren. Elfter Militärdistrikt. Ich bin in Göteborg in Schweden geboren. Aber nachdem ich… äh… befördert wurde, legte ich natürlich keinen großen Wert mehr darauf, meine Leute wiederzusehen. Also ließ ich mich in den Dritten versetzen, und deshalb werde ich, solange mich nicht ein Zerrütter trifft, meinen Urlaub und meine Krankenhausaufenthalte hier verbringen.«
    Ich hatte schon gehört, daß eine Menge der jüngeren Schleudersoldaten so empfanden. Ich persönlich hatte nie Gelegenheit gehabt, darüber nachzudenken, was ich bei einem Besuch bei meinen Eltern empfinden würde. Mein Vater kam bei dem selbstmörderischen Versuch um, den Neptun zurückzuerobern, als ich noch auf der Oberschule war und gerade die Grundausbildung mitmachte. Meine Mutter war Stabssekretärin bei Admiral Raguzzi, als das Flaggschiff Thermopyla e zwei Jahre später in der berühmten Abwehrschlacht bei Ganymed einen Volltreffer erhielt. Das war natürlich lange vor dem Fortpflanzungserlaß, als Frauen noch in Verwaltungsfunktionen an vorderster Front dienen durften.
    Andererseits war es durchaus möglich, daß noch zwei meiner Brüder lebten. Aber ich hatte nie versucht, mit

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