Titan 22
würden. Natürlich gibt es den einen großen Nachteil, über den wir bis jetzt noch nicht…«
»Eines begreife ich einfach nicht«, mischte der Junge sich ein, »warum die Leichen benutzen müssen! Wenn ein Mensch sein Leben gelebt und seinen Krieg geführt hat – warum läßt man ihn dann nicht zufrieden? Ich weiß, daß die Eoti sich schneller vermehren können als wir, indem sie einfach die Anzahl ihrer Königinnen in den Flaggschiffen vergrößern; ich weiß, das das größte Problem der TAF das Menschenmaterial ist, aber schließlich stellen wir doch schon seit einer Ewigkeit synthetisches Protoplasma her. Warum denn nicht den ganzen verdammten Körper synthetisch herstellen, von den Zehennägeln bis zum Stirnlappen. Warum also nicht einfach richtige, ehrliche Androiden herstellen, die nicht nach Tod stinken, wenn man ihnen begegnet?«
Die Blondine wurde richtig wütend. »Unser Produkt stink t nicht ! Die Kosmetik garantiert dafür, daß die neuen Modelle sogar einen geringeren Körpergeruch haben als Sie, junger Mann! Und wir reaktivieren auch keine Leichen oder erwecken sie zum Leben. Sie sollten wissen, daß wir menschliches Protoplasma wieder aufbereiten, daß wir ausgeleiertes und beschädigtes menschliches Zellmaterial zurückgewinnen und zwar da, wo im Augenblick die größten Versorgungslücken bestehen, beim Militärpersonal. Sie würden nicht von Leichen reden, das kann ich Ihnen versichern, wenn Sie sehen könnten, in welchem Zustand sich manche Körper befinden, wenn sie hier ankommen. Manchmal finden wir in einem ganzen Ballen – ein Ballen enthält zwanzig Verluste – finden wir in einem ganzen Ballen nicht genug, um eine einzige Niere daraus zu machen! Dann müssen wir das Gewebematerial zusammenflicken, ändern, sorgfältig zusammensetzen, aktivieren.«
»Genau das meine ich. Wenn es so viel Mühe bereitet, warum fängt man dann nicht gleich mit dem richtigen Rohmaterial an?«
»Womit denn zum Beispiel?« fragte sie.
Der Junge gestikulierte mit seinen schwarz behandschuhten Händen. »Grundelemente wie Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und so weiter. Das würde den ganzen Prozeß doch sehr viel sauberer machen.«
»Irgendwoher müssen die Grundelemente auch kommen«, erinnerte ich ihn nachsichtig. »Den Sauerstoff und den Wasserstoff könnte man ja aus der Luft gewinnen. Aber wo nehmen Sie den Kohlenstoff her?«
»Von dort, wo ihn auch die anderen Synthetikhersteller nehmen – Kohle, Öl, Zellulose.«
Das Mädchen lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Das sind organische Substanzen«, erinnerte sie ihn. »Wenn Sie schon Rohmaterial benutzen, das einmal gelebt hat, warum dann nicht gleich solches, das dem beabsichtigten Endprodukt so nahe wie möglich kommt? Das sind einfache wirtschaftliche Überlegungen, Commander, das können Sie mir glauben. Das beste und billigste Rohmaterial für die Herstellung von Soldatenersatz sind Soldatenleichen.«
»Richtig«, sagte der Junge. »Leuchtet mir ein. Was soll man auch sonst mit zerfetzten Soldatenleichen anfangen? Besser, als sie einfach im Erdreich zu verscharren, wo sie nichts anderes wären als Abfall, unnützer Abfall.« .
Die kleine Blondine setzte ein zustimmendes Lächeln auf, sah ihn dann aber prüfend an und überlegte es sich anders. Plötzlich wirkte sie sehr unsicher. Und als ihre Sprechanlage dann summte, schien sie froh zu sein, davon abgelenkt zu werden.
Ich sah sie beifällig an. Sie war ganz bestimmt nicht dumm. Eben nur eine Frau. Ich seufzte. Wissen Sie, ich verstehe nicht viel von zivilen Dingen, aber von Frauen verstehe ich überhaupt nichts. Das zeigt wieder nur, daß alles sich in meinem Fall doch nur zum Besten gewendet hat.
»Commander«, sagte sie jetzt zu dem Jungen, »würden Sie bitte auf Zimmer 1591 gehen? Ihre Mannschaft wird in wenigen Minuten eintreffen.«
Dann wandte sie sich zu mir. »Und Sie gehen bitte auf Zimmer 1524, Commander.«
Der Junge nickte und stelzte davon. Sehr gerade, sehr aufrecht. Ich wartete, bis die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, und beugte mich dann über den Tisch des Mädchens. »Ich wünschte, die würden die Fortpflanzungsgesetze wieder ändern«, sagte ich. »Sie haben das Zeug zu einem ausgezeichneten Ausbildungsoffizier für die Etappe. Ich habe von Ihnen mehr über den Schrottplatz erfahren als in zehn Unterrichtsstunden.«
Sie sah mich prüfend an. »Hoffentlich meinen Sie das ehrlich, Commander. Wissen Sie, uns liegt nämlich allen sehr viel an diesem
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