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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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Unterrichtsstunde auf dem Arizonastützpunkt vorzubereiten versucht hatte. Vier Tote starrten mich an. Vier sehr berühmte Tote.
    Der Große, der dort in seinem Stuhl flegelte, war Roger Grey, der vor mehr als einem Jahr ums Leben gekommen war, als er mit seinem winzigen Kundschafterschiff in die Frontdüsen eines Eotiflaggschiffes gerast war. Das Flaggschiff war beinahe in zwei Teile zerrissen worden. Er hatte so ziemlich jeden Orden, den man sich vorstellen konnte, und die Sonnenkorona. Grey sollte mein Kopilot sein.
    Der hagere, geschmeidige Mann mit der schwarzen Haartolle war Wang Hsi. Er war ums Leben gekommen, als er den Rückzug zu den Asteroiden nach dem Großen Durchbruch von 2143 deckte. Nach der phantastischen Geschichte, die Beobachter erzählten, hatte sein Schiff immer noch gefeuert, nachdem es drei Volltreffer von einem Zerrütterstrahl abbekommen hatte. So ziemlich jede Medaille, die man sich denken konnte, und die Sonnenkorona. Wang sollte mein Ingenieur sein.
    Ein dunkelhäutiger, kleiner Bursche war Yussuf Lamehd. Er war in einem ganz unbedeutenden Gefecht bei Titan ums Leben gekommen, aber als er starb, war er der höchstdekorierte Mann in der ganzen TAF. Zweimal die Sonnenkorona. Lahmed sollte mein Kanonier sein.
    Der kräftig gebaute war Stanley Weinstein, der einzige Kriegsgefangene, der je aus einem Gefangenenlager der Eoti entkommen war. Als er schließlich auf dem Mars eintraf, war nicht mehr viel von ihm übriggewesen, aber das Schiff, das er für seine Flucht benutzt hatte, war das erste Feindfahrzeug, das unsere Techniker studieren konnten. Damals gab es noch keine Sonnenkorona, die man ihm selbst posthum hätte verleihen können, aber dafür werden immer noch Militärakademien nach ihm benannt. Weinstein sollte mein Astrogator sein.
    Als ich den Schock überwunden hatte, kam ich langsam wieder in die Wirklichkeit zurück. Das waren nicht die Originale. Vermutlich hatten sie kein einziges Partikel von Roger Greys Blut oder Wang Hsis Fleisch auf ihren rekonstruierten Knochen. Es waren nur ausgezeichnete, sehr naturgetreue Kopien, die man nach genauen Spezifikationen hergestellt hatte.
    Es gab zwischen hundert und tausend Yussuf Lamehds und Stanley Weinsteins. Das durfte man nicht vergessen – und sie alle kamen von einem Fließband ein paar Stockwerke tiefer. »Nur die Tapferen haben ein Recht auf die Zukunft«, war das Motto des Schrottplatzes, und im Augenblick versuchte man ihnen diese Zukunft zu verschaffen, indem man TAF-Männer, die besonderes Heldentum gezeigt hatten, duplizierte.
    Da ging es wieder um den industriellen Nutzeffekt. Wenn man Methoden der Massenproduktion einsetzt – und genau das war es, was man auf dem Schrottplatz tat – dann ist es ganz logisch, daß man einige Standardmodelle erzeugt. Und wenn man das schon tut, dann doch am besten solche Modelle, mit denen man positive Vorstellungen verbindet, und nicht irgendwelche anonymen Burschen vom Reißbrett eines Konstrukteurs.
    Der zweite Grund war beinahe noch wichtiger, dafür aber schwerer nachzuvollziehen. Nach dem, was uns der Ausbildungsoffizier gestern gesagt hatte, herrschte die etwas unklare Vorstellung – beinahe eine Art Aberglaube, könnte man sagen – , daß, wenn man die Gesichtszüge eines Helden, seine Muskeln, seinen Metabolismus und vielleicht sogar seine Gehirnwindungen sorgfältig nachbaute, man vielleicht wieder einen Helden konstruierte. Die ursprüngliche Persönlichkeit würde natürlich nie wieder in Erscheinung treten können – die war das Produkt langer Jahre einer bestimmten Umgebung, bestimmter Erlebnisse und anderer, nicht greifbarer Faktoren –, aber es bestand immerhin die Möglichkeit, meinten die Biotechniker, daß eine gewisse Veranlagung zum Mut und zur Entschlußkraft in der Körperstruktur selbst lag.
    Nun, jedenfalls sahen diese Zombies nicht wie Zombies aus.
    Einer plötzlichen Eingebung folgend, zog ich das Bündel mit unserem Marschbefehl aus der Tasche, tat so, als läse ich, und ließ es zu Boden fallen. Während die Papiere noch herunterflatterten, streckte Roger Grey die Hand aus und fing sie auf. Er gab sie mir mit der gleichen eleganten und doch schnellen Bewegung, mit der er sie aus der Luft gegriffen hatte. Ich nahm sie ihm ab und hatte ein gutes Gefühl dabei. Ich sehe es gerne, wenn ein Kopilot sich so benimmt.
    »Danke«, sagte ich.
    Er nickte bloß.
    Als nächsten schaute ich mir Yussuf Lamehd an. Ja, der hatte es auch. Was immer es ist, das einen

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