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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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verblüfft an. »Ihr wollt wissen, wie ich euch nenne«, erklärte ich. »Sagt mir doch zuerst, wie ihr Leute mich nennt! Leute, die geboren sind! Ihr müßt doch auch Spitznamen für uns haben…«
    Lamehd grinste und zeigte seine Zähne, ein weißes, freudloses Grinsen vor seiner dunklen Haut. »Realos«, sagte er. »Wir nennen Leute eurer Art Realos.«
    Und dann kam der Chor der anderen. Es gab noch eine ganze Menge anderer Namen. Ich mußte sie mir alle anhören. Sie unterbrachen einander, spuckten die Worte aus, funkelten mich an und warteten, welchen Eindruck sie damit machten. Einige der Spitznamen waren komisch, einige waren ziemlich bösartig. Utie und Schößchen fand ich besonders nett.
    »Na schön«, sagte ich nach einer Weile. »Fühlt ihr euch jetzt wohler?«
    Ihr Atem ging schnell, aber sie fühlten sich wohler. Das wußte ich, und sie wußten es auch. Die Stimmung im Zimmer war plötzlich nicht mehr so drückend und haßerfüllt.
    »Zunächst möchte ich euch allen klarmachen«, fing ich an, »daß ihr alle große erwachsene Jungens seid und selbst auf euch aufpassen könnt. Von jetzt an, wenn wir miteinander in eine Bar oder ein Lager gehen und jemand von etwa eurem Rang etwas sagt, das so ähnlich wie ›Zombie‹ klingt, dann könnt ihr meinetwegen mit ihm machen, was ihr wollt – wenn ihr es schafft. Wenn er meinen Rang hat, werde wahrscheinlich ich ihm die Abreibung verpassen, weil ich ein sehr empfindlicher Commander bin und es nicht mag, wenn man meine Leute falsch einschätzt. Und falls ihr jemals das Gefühl habt, daß ich euch nicht wie menschliche Wesen behandle, wie hundertprozentig vollwertige Bürger des Sonnensystems, so habt ihr jederzeit meine Erlaubnis, euch vor mir aufzubauen und zu sagen: ›Jetzt hören Sie mal her, Sie dreckiger Utie, Sie…‹«
    Die vier grinsten. Es war ein warmes Grinsen. Und dann verblaßte das Grinsen, und die Augen wurden wieder kalt. Schließlich standen sie einem Mann gegenüber, der trotz allem ein Außenseiter war. Ich fluchte.
    »So einfach ist das nicht, Commander«, sagte Wang Hsi. »Leider. Sie können uns ruhig hundertprozentige Menschen nennen, aber wir sind es nicht. Und jeder, der uns Klopse oder Büchsenfleisch nennen will, hat schließlich das Recht dazu. Wir sind eben doch nicht so gut, wie… wie ihr Muttersöhnchen, und das wissen wir auch. Und wir werden auch nie so gut sein.«
    »Ich weiß nicht«, wandte ich ein. »Einige eurer Leistungstabellen…«
    »Leistungstabellen, Commander«, sagte Wang Hsi mit sanfter Stimme, »machen noch keinen Menschen. Wir sind Soldatenersatz, keine Soldaten. Wir sind keine Soldaten, weil Soldaten Menschen sind. Und wir, Commander, sind keine Menschen.«
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Und dann platzte ich heraus: »Und wie kommt ihr darauf, daß ihr keine Menschen seid?«
    Wang Hsi sah mich überrascht an, aber seine Antwort war immer noch leise und ruhig. »Das wissen Sie. Sie haben unsere Konstruktionsdaten gesehen, Commander. Wir sind keine Männer, Commander. Keine wirklichen Männer, weil wir uns nicht fortpflanzen können.«
    Ich zwang mich dazu, mich wieder hinzusetzen, und legte langsam die Hände über die Knie.
    »Wir sind genauso steril«, hörte ich Yussuf Lamehd sagen, »wie kochendes Wasser.«
    »Es hat eine Menge Männer gegeben«, fing ich an, »die…«
    »Hier geht es nicht um eine Menge Männer«, unterbrach mich Weinstein. »Hier geht es um alle, uns alle.«
    »Klops bist du«, murmelte Wang Hsi, »und zu Klops sollst du wieder werden. Wenigstens ein paar von uns hätten sie eine Chance geben können. So schlecht wären die Kinder gar nicht geworden.«
    Roger Grey schlug mit der Hand auf die Armlehne seines Sessels. »Das ist es ja gerade, Wang«, sagte er mild. »Die Kinder wären vielleicht gut geworden – zu gut. Unsere Kinder wären vielleicht besser geworden als ihre Kinder – und wo würden sie dann stehen, diese verdammten Realomenschen?«
    Ich saß da und starrte sie wieder an. Aber diesmal sah ich ein anderes Bild. Ich sah nicht Fließbänder, die sich langsam dahinschoben und die von menschlichem Gewebe und Organen bedeckt waren, an denen ernstblickende Biotechniker arbeiteten. Ich sah nicht einen Tank, voll mit einem Dutzend erwachsener Männerkörper, die in einer Nährlösung schwammen, jeder einzelne Körper mit einer Lehrmaschine verbunden, die Tag und Nacht Informationen in den Körper pumpte, um ihn dazu zu befähigen, eines Tages den Platz eines Mannes

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