Titan 23
»Vielleicht entdeckt der Meister eine Weile nicht, daß du weg bist.«
Der Sumerer ging voran. Er schien mit dem unterirdischen Labyrinth von Al Bekr gründlich vertraut, obwohl sich Alasas Augen mehr als einmal staunend weiteten, als sie ihre verwandelte Stadt sah. Mason warf ihr gelegentlich von der Seite Blicke zu und spürte, wie sich jedesmal sein Puls beschleunigte, wenn er die elfenhafte Schönheit des Mädchens sah. Einmal sah sie ihn mit unverhohlener Neugierde an.
»Du bist aus einem fernen Land, denke ich«, meinte sie. »Die Männer von Al Bekr sind entweder stark oder sie sehen gut aus, doch selten beides. Du siehst nicht seh r gut aus« – sie lachte, und ihre goldenen Augen funkelten vergnügt –, »aber ich mag dich!«
Ehe Mason Antwort geben konnte, zog in der Ferne ein Schatten vorbei. Es war Nirvors weißer Leopard. Er blieb stehen, musterte die kleine Gruppe aus unergründlichen Augen. Mason spürte einen kühlen Schauer, der ihm über den Rücken kroch. Das Geschöpf war natürlich nur ein Tier – und doch war in seinem starren Blick etwas tödlich Bösartiges und zugleich ein seltsamer Funke von Intelligenz…
Der Leopard glitt davon und war verschwunden. Erech flüsterte: »Er ist ein Dämon. Bokya, der schwarze, ist ein Killer, aber der weiße, Valesta, ist wie Malik Taus, der Pfauenteufel der östlichen Stämme. Schnell!«
Der Weg führte jetzt über steile Rampen in die Tiefe, Rampen, die von dem blaßgrünen Leuchten erfüllt waren. Einmal begegneten sie einem Roboter, aber Erechs Strahlwaffe machte ihn bewegungslos. Und immer tiefer ging es in die verborgenen Tiefen unter dem vergessenen Al Bekr…
Und die Furcht kroch hinter Mason her, beschlich ihn. Eine Angst, die er nicht unterdrücken konnte, hatte sich in ihm ausgebreitet, seit der weiße Leopard aufgetaucht war. Die unerklärliche Gewißheit, daß die Gefahr immer näher rückte…
Und dann schlug das Unheil ohne Warnung zu. Aus der Düsternis eines Seitenganges zuckte ein schwarzer Blitzstrahl – der schwarze Leopard! Er sprang nach Erechs Kopf, und der Sumerer wäre in diesem Augenblick unter den mahlenden Fängen gestorben, wenn Mason sich nicht fast ohne nachzudenken von hinten auf ihn geworfen und ihn zur Seite geschleudert hätte. Eine rasiermesserscharfe Klaue riß Masons Arm auf. Er spürte das Fell an seiner Wange, so nahe zog der Tod vorbei. Dann schien der Leopard mitten in der Luft kehrt zu machen, und seine grünen Augen flammten.
Aber Erech hatte bereits seinen Säbel gezogen. Mit einer Wut, die der der Bestie in nichts nachstand, kauerte er sich nieder, die Zähne in einem wilden Grinsen gefletscht.
»Zurück, Mäi‐sson! Beschütze Alasa! Dein Dolch ist kürzer als meine Klinge – laß mich mit dieser Ausgeburt der Hölle kämpfen.«
Mason schob das Mädchen hinter sich und zog den Dolch. Der Leopard näherte sich Erech, sein Schweif schlug und…
Dunkelheit fiel über sie.
Die grün leuchtenden Stangen erloschen. Tiefe Schwärze hüllte den Gang ein.
Die Nähe des Verderbens inspirierte Mason. Er schrie: »Die Waffe, Erech! Murdachs Waffe…«
Mason wußte nicht, ob der Strahl den Leoparden lähmen würde. Aber zumindest würde das glühende Ei Licht liefern – genug, daß der Leopard in der Schwärze nicht ungesehen töten konnte.
Ob Erech es gehört hatte, wußte Mason nicht. Der Boden erzitterte unter seinen Füßen. Er bebte und versank unter ihm, während er nach einem Halt tastete. Er fühlte, wie Alasas weicher Körper gegen den seinen prallte, und dann stürzten sie beide in den Abgrund.
Sie fielen nicht weit, und ein Berg Felle bewahrte sie vor Schaden. In der Düsternis konnte Mason den unregelmäßigen Atem des Mädchens hören. Er streckte tastend die Hand aus, berührte die weiche Wärme eines Arms.
»Bist du verletzt?« fragte Mason.
»Ich glaube nicht. Aber – Erech?«
Mason rief den Namen des Sumerers. Keine Antwort.
Licht flammte auf.
Sie befanden sich in einer winzigen Zelle, vielleicht zwölf auf zwölf Fuß groß, ringsum von kahlem Metall umgeben, das auch die Decke bildete. Mason stand auf und griff nach seinem Dolch.
Und eine Stimme sagte spöttisch: »Auch wenn Bokya scheitert – ich nicht. Ich bin weiser als mein Leopard.« Die Stimme Nirvors! Die Silberne Priesterin! Mason sah sich schnell um. Die unsichtbare Frau lachte leise. »Ihr könnt nicht entkommen. Beide nicht. Ihr werdet sterben.
Und der Meister wird nicht erfahren, daß ich euch tötete. Denn wen
Weitere Kostenlose Bücher