Titanen-Trilogie 01 - Das Erbe der Titanen
begegnete.«
Tors Miene hellte sich auf. »Ich könnte fünf der anderen erledigen und büße dabei nur meinen Schlechtesten ein«, rief er eifrig.
»Wie denn?« fragte Tun. »Die anderen sind doch alle besser als . . .«
»Ich schicke meinen Sechsten gegen den fremden Anführer los, als wäre er mein bester Mann, und lasse dann erst die fünf besten Krieger antreten.«
»Dein Erster würde doch nie einwilligen, nach deinem Sechsten in den Ring zu treten!«
»Mein Bester wird meinen Befehlen folgen, auch wenn er sich dabei beleidigt fühlt«, sagte Tor. »Er wird sich mit dem fremden Zweiten messen, ihn besiegen, dann wird mein Zweiter den fremden Dritten übernehmen, und zuletzt tritt mein Fünfter gegen den fremden Sechsten an.«
»Doch der fremde Erste . . .«
»Wird nur meinen Sechsten besiegen, den ich wahrscheinlich ohnehin verloren hätte.«
»Und dann hast du zehn Mann, während der andere nur mehr zwei hat«, beendete Sos die Debatte. »Doch vor dem Kampf war das andere Team besser als deines.«
Tun staunte und lachte dann. Er hatte jetzt begriffen; denn dumm war er ganz bestimmt nicht. »Ich werde daran denken!« rief er aus. Dann wurde er wieder ernst. »Nur - was ist, wenn der andere Beste nur gegen meinen Besten kämpfen will?«
»Woher soll er wissen, wer der Beste ist?« fragte Tor. »Woran erkennst du seinen Rang?«
Sie kamen überein, daß diese Strategie nur wirksam war, wenn man vorher einen Kundschafter ausgeschickt hatte - am besten einen erfahrenen Krieger im Ruhestand. Es dauerte nicht lange, und sie knobelten eifrig ähnliche Probleme aus und forderten sieh gegenseitig zur Lösung auf. Sie holten sich aus der Spielabteilung der Herberge Brettspiele und verwendeten sie zu taktischen Übungen, wobei die höheren Werte größere Fähigkeiten anzeigten. Dabei erwies sich Tor bald als der Klügste und wurde mit der Zeit so gut, daß er fast jede beliebige Partie gewinnen konnte. Sos hatte diese Art von Wettkampf angeregt, war aber manchmal dabei seinen eigenen Schülern nicht mehr gewachsen.
Doch hatte er ihnen gezeigt, wie man mit Intelligenz siegen kann, wenn man mit brutaler Gewalt nichts mehr ausrichtet. Das befriedigte ihn ungemein.
Im zweiten Monat, als die Rangordnung in den einzelnen Gruppen festgelegt war, begannen Wettkämpfe zwischen den einzelnen Waffengattungen. Die Ausbilder wurden wieder Mitglieder ihrer Truppe und schworen, alle Feinde dank ihrer jetzt verfeinerten Waffentechnik zu besiegen. Jede Untergruppe besaß ihren eigenen Corpsgeist und war begierig, ihre Überlegenheit zu beweisen.
Sos lehrte sie zählen: Einen Punkt für jeden Sieg, für eine Niederlage nichts. Einige lachten, als sie sahen, daß erwachsene Männer Papier und Bleistift bei sich trugen und die Schreiber der Irren nachahmten. Bald übernahmen die Frauen diese Aufgabe. Sos lehrte sie, wie man für jede Gruppe ein Zeichen einsetzt und auf einer öffentlichen Anschlagtafel die Punkte notiert. Er schlug vor, sie sollten Symbole erlernen - stilisierte Schwerter, Keulen und andere Waffen, gefolgt von Strichen, die Siege bedeuteten. Täglich sah man die Männer zu der Tafel pilgern und Siege bejubeln oder Tabellenverluste beklagen. Als die Striche nicht mehr ausreichten, weil es sich um höhere Zahlen handelte, lernten die Frauen arabische Ziffern. Die Männer wollten den Frauen nicht nachstehen.
Dieses Ergebnis hatte Sos nicht vorausgesehen. Der Stamm lernte rechnen! Er beobachtete eines Tages ein kleines Mädchen, das sich an den Fingern das Tagesergebnis ihrer Gruppe abzählte. Dann nahm sie den Bleistift und schrieb 56 neben das Schwertsymbol.
Da merkte er, wie einfach es war, einen Kursus für Mathematik anzuregen. Vielleicht konnte er auch die Leute im Lesen und Schreiben unterrichten. Die Nomaden waren Analphabeten, weil sie keinen Grund sahen, sich mit der Schrift zu beschäftigen. Sollte sich jedoch herausstellen, daß man auch als Krieger lesen lernen mußte, konnte sich die Lage rasch ändern. Doch Sos war viel zu beschäftigt, um sich im Augenblick mit diesem Problem abzugeben.
Die Dolchkämpfer waren, da sie die kleinste Gruppe bildeten, im Nachteil. Ihr Führer beklagte sich bei Sos, daß sie - selbst wenn alle fünf Mitglieder jedes Duell gewannen - kaum mit den Schwertkämpfern mithalten konnten. Auch wenn diese ein paar Kämpfe verloren, konnten sie trotzdem am Tag oft mehr Punkte buchen als die Dolchkämpfer. Sos entschied, daß dieser Einwand berechtigt war, und zeigte seinen
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