Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen
Zuhören.
»Kalt ist es«, sagte sie.
Var hatte darüber noch nicht nachgedacht, doch sie hatte recht. Es drohte hier auf dem Berg kalt zu werden, und sie beide waren nackt und hatten keine Schlafsäcke. Er konnte das natürlich gut aushalten, weil er in seiner Kindheit oft Nächte im Freien verbracht hatte. Sie aber war kleiner und dünner, und ihre Haut war weich.
Die Kälte würde ihr mehr als nur Unbehagen bereiten. Sie konnte an Unterkühlung sterben. Ihr zusammengekauerter unbehaarter Leib zitterte so heftig, daß der Boden mit erbebte.
Var setzte sich auf. »Ich schulde dir Dank wegen des Stockes – « rief er ihr zu.
Sie wandte den Kopf. Mehr konnte er in der Dunkelheit nicht ausmachen. »Ich verstehe nicht.«
»Für den Stock – mein Dank.« Er bemühte sich um eine deutliche Aussprache.
»Stock«, sagte sie. »Dank.« Langsam dämmerte ihr die Bedeutung, doch nicht der Sinn, der dahintersteckte. Ihre Zähne schlugen aufeinander.
»Meine Körperwärme heute nacht.«
»Wärme? Nacht?« Sie war verblüfft.
Var stand auf und ging zu ihr hinüber. Er legte sich neben sie, umfing sie und zog sie an sich. »Schlafen – warm«, sagte er so klar wie nur möglich.
Für einen kurzen Augenblick war ihr Körper angespannt, und ihre Hände schnellten gegen seinen Nacken vor. Das war eine Geste, die er von einer Demonstration des Namenlosen her kannte. Sie war also im waffenlosen Kampf geübt! Dann aber entspannte sie sich.
»Du willst mich wärmen! Danke, Var!« Sie drehte sich um, rollte sich zusammen und drückte den zitternden Rücken an ihn. Er umfing sie mit Armen und Beinen. Sein Kinn, mit dem spärlichen Bartwuchs, ruhte in ihrem weichen Haar. Mit beiden Händen hielt er ihre Knie.
Var mußte an das erste Mal denken, als er eine Frau in den Armen gehalten hatte, damals vor nur wenigen Monaten. Aber das hier war anders. Sola war üppig und heiß gewesen, und dieses Kind hier war knochig und kalt. Die Beziehung war ganz anders. Doch fand er diese keusche Kameradschaft zum Schutz gegen die Kälte ebenso bedeutungsvoll wie die frühere sexuelle Beziehung. Die Lasten gleich verteilen – das gehörte zum Ehrenkodex des Ringes, wie er ihn verstand, und das war nichts, dessen man sich schämen mußte.
Und am Morgen würden sie den Kampf fortsetzen.
»Wer bist du?« fragte er sie. Diesmal brachte er es deutlich heraus.
»Soli. Mein Vater ist Sol von allen Waffen!«
Sol von allen Waffen! Der frühere Herr des Imperiums; der Mann, der es aus dem Nichts aufgebaut hatte. Kein Wunder, daß sie so geschickt war!
Und dann kam ihm ein schrecklicher Gedanke. »Deine Mutter – wer ist deine Mutter?«
»Ach, meine Mutter versteht mehr vom Kämpfen als mein Vater, aber sie kämpft ohne Waffen. Sie ist ganz klein, kaum größer als ich, dabei bin ich noch nicht ausgewachsen, aber wer sie angreift, der landet auf seinem Kopf!« Sie lachte. »Komisch ist das.«
Er war erleichtert, doch dann fiel ihm etwas anderes ein. »Sie… – deine Mutter – braunes, lockiges Haar, gute Figur?«
»Ja, das ist sie? Aber woher weißt du das? Sie hat die Unterwelt niemals verlassen, nicht seitdem ich da bin!«
Wieder fand Var keine Worte zu einer Erklärung. Und er konnte ihr schließlich nicht sagen, daß er versucht hatte, ihre Mutter zu töten.
»Natürlich ist Sosa nicht meine leibliche Mutter«, bemerkte Soli. »Ich bin draußen geboren worden. Mein Vater hat mich hineingebracht, als ich noch ganz klein war.«
Vars Schrecken kehrte wieder. »Du – du bist also Solas tote Tochter?«
»Nun ja, wir in der Unterwelt sind nicht richtig tot. Wir lassen die Nomaden bloß in dem Glauben, weil – ich weiß eigentlich nicht genau, warum. Sol war draußen mit Sola verheiratet, und ich bin ihr Kind. Es heißt, daß Sola hinterher den Namenlosen geheiratet hat.«
»Ja. Aber ihren Namen hat sie behalten.«
»Auch Sosa behielt ihren Namen. Komisch.«
Aber Var dachte an Solas Aufforderung: »Töte den Mann, der meinem Kind ein Leid zufügt!«
Var der Stock war dieser Mann, denn ihm oblag es, den Vertreter des Berges zu töten und das Imperium zu retten.
X
Var erwachte mehrere Male in dieser Nacht, denn die Kälte in dieser Höhe machte ihm zu schaffen. Ein Wind war aufgekommen und wehte die kostbare Wärme von seinem Rücken. Nur vorne, wo Soli sich an ihn schmiegte, war er warm. Allein hätte er überleben können, aber so war es besser.
Das Mädchen bewegte sich im Schlaf, doch immer, wenn Hände oder Füße sich ins
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