TITANIC-WORLD
Lachen bogen. Sprachen waren nicht sein Ding. Dass er die englische Sprache nach knapp acht Jahren Unterricht nur mehr schlecht als recht beherrschte, störte ihn wenig. Sogar hier in England war das kein Problem, denn es gab ja Georgia. Ihr Vater kam aus Wales und sie war zweisprachig aufgewachsen. Ihr machte es nichts aus, mit den Einheimischen zu reden, wenn der Rest sich nicht traute oder, wenn ihm – im wahrsten Sinne des Wortes – die Vokabeln fehlten.
„Ja, ja. Macht ihr euch nur über mich lustig“, rief er gutmütig. „Wenn ihr gleich Pickles oder Kaninchenkuchen essen müsst, vergeht euch das Lachen.“
„Ich hab‘ keinen Hunger“, stellte Marc grinsend fest und wieder kicherten alle. Georgia zog noch einmal den Speiseplan zurate und las vor: „Mittwochs gab’s zum Lunch immer: Rice Soup, Corned beef and cabbage, boiled potatoes, cabin biscuits, fresh bread und zum Nachtisch Peaches and Rice .“
„Meint ihr, wir müssen das alles essen?“ Jasmina verzog das Gesicht. „Ich mag kein corned beef und Kohl auch nicht.“
„Nein, das müsst ihr nicht“, sagte eine Stimme auf deutsch hinter ihnen und erschrocken drehten sie sich um. „Hi, ich heiße Cecilia. Ich bin Titanic-Historikerin und begleite euch heute durch die Erlebniswelt.“ Nach dem sich die Teenager gleichfalls vorgestellt hatten, ergriff Cecilia wieder das Wort und sagte: „Wie ich sehe, interessiert euch der Speiseplan der dritten Klasse. Oder habt ihr ihn nur aus Langeweile gelesen?“ Vier Köpfe wurden so feierlich geschüttelt, dass sie sich ein Lächeln verkneifen musste.
„Das meiste davon tät ich aber nicht essen“, sagte Marc fröhlich, worauf er von Jasmina einen Stoß in die Rippen bekam. „Au! Warum schubst du mich? Ich täte das auch nicht essen. Kur-ried Mut-ton , bah!“
„Und Kaninchenkuchen“, rief Joshua dazwischen und wieder mussten alle lachen, einschließlich Cecilia. Jasmina räusperte sich und fragte: „Was haben denn die Leute damals gemacht, die diese Gerichte nicht mochten?“
„Das mag sich für euch jetzt vielleicht ein bisschen befremdlich anhören“, antwortete die Titanic-Historikerin, „aber curried mutton , also ein Hammelcurry, oder auch hier, das fricassee of rabbit – ein Kaninchenragout – waren ganz alltägliche Gerichte der Arbeiterschicht 1912. Ebenso Lengfisch und Kutteln.“
Ein Lachen unterdrückend wies sie mit dem Finger auf den Speiseplan; Jasminas Gesicht bestand seit dem Wort Kutteln, nur noch aus großen, ungläubigen Augen. Rasch erklärte Cecilia weiter: „Wie ihr seht, gab es jeden Tag ein reichhaltiges Frühstück, ein drei-Gänge-Menü zum Mittag und ein warmes Gericht, neben Brot und Butter, am Abend. Alle hier aufgeführten Speisen waren typisch für die britische Küche seinerzeit und ihr dürft mir glauben, dass die meisten der Zwischendeckpassagiere zu Hause nicht annähernd so gut gegessen haben. Zwei warme Mahlzeiten am Tag waren unerschwinglich.“
„Was haben die denn damals so verdient“, fragte Marc interessiert.
„Merk‘ dir deine Frage für später“, antwortete Cecilia nur. Aus den Augenwinkeln heraus hatte sie bemerkt, dass der Klassenlehrer auf sie zu kam. Ein bisschen schuldbewusst gestand sie sich ein, dass sie eigentlich der ganzen Klasse die Titanic-Historie näher bringen sollte; und nicht nur vier Schülern.
Nach dem Lunch – der von einigen der Jugendlichen mit erstaunlich gutem Appetit gegessen worden war – begann Cecilia mit ihrer Führung. Es machte ihr Spaß, sich nach so langer Zeit wieder einmal auf Deutsch unterhalten zu können. Zu dem war es wesentlich einfacher, eine Horde aufgeweckter fünfzehn bis sechzehn jähriger Teeanger in ihrer Muttersprache bei Laune zu halten; etwas, dass ihr bei anderen Schulklassen, trotz ausgezeichneter Englischkenntnisse, nicht immer vergönnt war.
Für die Kabinen und Luxussuiten interessierten sich die Jugendlichen erwartungsgemäß weniger. Bei den Artefakten zeigten sie schon etwas mehr Begeisterung und verblüfften Cecilia mit klugen oder ausgefallenen Fragen. Da sie aber wusste, dass die Aufnahmefähigkeit selbst bei den agilsten Schülern nicht endlos ist, legte sie eine Pause im New Dimension ein. Denn alle hatten es jammerschade gefunden, dass sie für die Cyber-Welten zu jung waren. Während die Kids Spaß mit Wii und X-box hatten, unterhielt sich Cecilia mit dem Klassenlehrer.
„Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten“, sagte Herr Schmitz gerade, „aber nach den
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