TITANIC-WORLD
„Passt du eigentlich nie auf? Glas fenster und Champagnerflaschen aus Glas haben den Untergang heil überstanden.“
„Marc ist längst nicht so doof, wie er aussieht, Jasmina.“ Joshua legte seinem Freund kumpelhaft einen Arm um die Schultern, bevor er angriffslustig sagte: „Wenn Georgia einen mit ihrer Handtasche attakiert, bleibt nix mehr heil – und schon gar keine antike Wasserflasche! Verglichen damit, war der Aufprall der TITANIC die voll sanfte Bruchlandung!“
„Stopp!“ Lachend trat Cecilia zwischen die vier vermeintlichen Streithähne. „Ein Vorschlag zur Güte, bevor Georgias Handtasche zum Einsatz kommen muss. Wenn Herr Schmitz damit einverstanden ist, können wir uns nach der Besichtigung des FDecks aufteilen. Wer möchte, kann dann gleich aufs Bootsdeck hinauf, während die Anderen noch einen kurzen Abstecher zum Souvenirshop machen.“
Die anschließende Stippvisite im Türkischen Bad sorgte für mehr Heiterkeit, als Cecilia es sich je hätte vorstellen können. Die Oppulenz des Raumes fanden die meisten Schüler kitschig und es regnete lustige Bemerkungen. Als sie die Funktion des elektrischen Bades erklärte, bogen sich alle vor Lachen. Sie fanden es zum Brüllen komisch, dass es tatsächlich Passagiere gegeben hatte, die sich seelenruhig von Glühbirnen haben bescheinen lassen. Joshua bemerkte zur Belustigung aller, dass es sich bei diesem Bad um den antiken Vorläufer des Solariums gehandelt haben müsse –dem sogenannten Glühbirnarium . Georgia fügte mit gespielt ernster Miene ergänzend hinzu, dass diese Bad -Variante gesundheitlich völlig unbedenklich wäre, da man im Glühbirnarium nicht den schädlichen Strahlen von Sparlampen ausgesetzt gewesen sei.
Die Fröhlichkeit ebbte ab, als sie die Hall of Silence betraten, in der all jene Artefakte ausgestellt waren, die zum Arbeitsalltag der Schwarzen Gang gehört hatten. An den Wänden hing neben den Fotos der Heizer, Trimmer und Ingenieure, auch Bilder der Kessel und der Niederdruckturbine; letztere waren in Echtgröße dargestellt. Während Cecilia kurz den Arbeitsalltag der Männer erläuterte, wischten sich Marc und Joshua unisono einen imaginären Schweiß von der Stirn – es kam ihnen plötzlich so vor, als strahlten selbst die Fotografien jene Hitze aus, denen die Heizer fortwährend ausgesetzt waren. Ein wenig verwirrt, wandten sie ihre Aufmerksamkeit wieder Cecilia zu und hörten gerade noch, wie sie abschließend sagte: „ … ihre Pflichterfüllung ließ sie bis zum bitteren Ende ausharren und sie gingen – nicht ohne stumme Größe – in den Tod.“
Nach diesen Worten blieb es eine Weile still. Einige sahen auf den Boden, andere wiederum betrachteten noch einmal die Bilder all jener Männer, die ihr Leben gegeben hatten, um das ihrer Mitreisenden zu retten. Schließlich räusperte sich Marc und sagte, mit einem fragenden Unterton in der Stimme: „Aber die Heizer, die da gestorben sind, die waren doch versichert? Ich meine, wenn man einen Unfall am Arbeitsplatz hat, muss doch die Firma löhnen.“
„Ich möchte deine Illusionen ja nur ungern zerstören“, antwortete Cecilia mit einem bedauernden Lächeln, „aber 1912 war diese Form der Versicherungen noch nicht erfunden. Wer nicht arbeitete, hatte kein Geld; wer verunglückte und nicht arbeiten konnte, hatte auch kein Einkommen. Die White Star Line hat damals sogar die Heuer für die gesamte Besatzung um zwei Uhr zwanzig, zum Zeitpunkt des Untergangs also, eingestellt.“
„Wie, einfach so? Durften die das?“
„Das kann man doch nicht machen!“
„War doch nicht die Schuld der Heizer, dass das Schiff untergegangen ist!“
„Heutzutage tät man die verklagen!“
„Was war denn dann mit deren Familien? Sind die verhungert?“
Entrüstetes Gemurmel hallte durch den Raum. Cecilia hob beschwichtigend die Hände und erklärte in den Tumult hinein: „Nach dem Untergang war die Anteilnahme am Schicksal jener Familien, die ihre Ernährer verloren hatten, sehr groß. In Großbritannien und Amerika wurden Fonds eingerichtet, die all diese Menschen finanziell unterstützten.“
„Für immer?“ Jasmina sah die Titanic-Historikerin mit großen Augen an. Als Cecilia nickte, atmete das Mädchen erleichtert auf, aber ihre Freundin empörte sich: „Das war aber doch trotzdem voll ungerecht von der Reederei. Die müssen doch gewusst haben, dass deren Arbeiter total auf den Lohn angewiesen waren!“
„Die Welt ist schlecht, Georgia!“ Joshua stellte sich
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