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TITANIC-WORLD

TITANIC-WORLD

Titel: TITANIC-WORLD Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Aust-Jones
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in Richtung Wecker drehte – zwei Uhr fünfunddreißig. Er wandte den Blick ab. Die Panik war gewichen. Zurück blieb ein Gefühl der Beklemmung, das ihm das Atmen erschwerte. Angst kroch in ihm hoch. War das ein Herzinfarkt, fragte er sich bestürzt. Zum allerersten Mal in seinem Leben kam ihm der Gedanke, wie tröstend es jetzt wäre, eine Ehefrau an seiner Seite zu haben. Eine Frau, die sein Leben mit ihm verbracht hatte und nun die richtigen Worte fand, ihn zu beruhigen. Aber er war allein. Das Personal trat seinen Dienst für gewöhnlich erst um acht Uhr an. Da heute Samstag war, würde allerdings niemand erscheinen. An den Wochenenden gab er seiner Dienerschaft – außer in Ausnahmefällen – frei. Ich hätte sterben können, dachte er entsetzt, und bis Montagmorgen wäre es niemandem aufgefallen. Trotz dieses bedrückenden Gedankens hatte sich sein Herzschlag wieder normalisiert. Da an Schlaf nicht mehr zu denken war, stand Nathan auf. Er ging in die Küche. Kurz darauf ließ er sich mit einer Tasse Kaffee in seinem Arbeitszimmer hinter dem Schreibtisch nieder. Der Raum war gediegen eingerichtet und strahlte die Atmosphäre eines Herrenclubs längst vergangener Tage aus. Dies war immer sein Zufluchtsort gewesen. Hier entspannte er sich in hektischen, arbeitsreichen Zeiten oder entwickelte neue Geschäftsideen, die seinem Imperium die nächsten Millionen einbringen sollten. Obwohl er für einen Moment Todesangst gehabt hatte, verfehlte die Atmosphäre des Raumes auch an diesem Morgen nicht ihre Wirkung. Als er aufstand, um sich die zweite Tasse Kaffee zu holen, fühlte er sich bedeutend besser.
    Zurück in seinem Arbeitszimmer erwägte er flüchtig seinen Neffen in Southampton anzurufen. Doch sie hatten erst gestern Abend miteinander gesprochen und ein zweites Telefonat innerhalb so kurzer Zeit würde Craig verwundern. Es ist ja nichts passiert, beruhigte Nathan sich. Nur ein blöder Alptraum, mehr nicht. Er versuchte die Gedanken an den Traum beiseite zu schieben und empfand wieder das Gefühl der Einsamkeit. Eine Ehefrau, die jetzt bei ihm sitzen und ihm zuhören würde, fehlte ihm in diesem Moment wie nie zuvor in seinem Leben. Aber Nathan wusste auch, dass es keine Frau gab, die seinen Ansprüchen gerecht geworden wäre.
    Er war sechsundsechzig Jahre alt, einen Meter fünfundachtzig groß und kräftig ohne dick zu sein. Sein schwarzes, mittlerweile graumeliertes Haar, war wie immer tadellos geschnitten und er strahlte dass aus, was er war – ein Mann, der kompromisslos den Erfolg gesucht und ihn gefunden hatte. Er war 1946 in Atlanta, Georgia, als einziger Sohn und Erbe eines erfolgreichen Plantagen- und Fabrikbesitzers zur Welt gekommen. Seine Familie hatte in der Vergangenheit nicht nur das Grauen des Bürgerkrieges überlebt, sondern es auch geschafft, nach den erniedrigenden Zeiten der Rekonstruktion zu neuem Wohlstand zu gelangen. Sein Vater, Caleb Blake, hatte den Grundstein zu GIANT INDUSTRIES gelegt, aber es war Nathan, der das Imperium in seiner bestehenden Form aufgebaut hatte. Er ging über Leichen, um sein Ziel zu erreichen. Das Erbe seiner Väter stand in seinen eiskalten Augen geschrieben, aber der ihm angeborene Südstaatencharme täuschte über seinen wahren Charakter hinweg. Als seine zwei Jahre jüngere Schwester, Judith, gegen seinen ausdrücklichen Willen einen der Fabrikvorarbeiter heiratete, kehrte Nathan ihr und ihrem Mann den Rücken zu. Er strich ihr monatliches Taschengeld und ihren Namen aus der Familienbibel. Obwohl er wusste, dass seine Schwester, die niemals Geldsorgen gehabt hatte, nur schwerlich mit dem Gehalt eines Fabrikarbeiters über die Runden kam und es der Familie, besonders nach der Geburt seines Neffen Craig, finanziell sehr schlecht ging, tat er nichts, um die Not zu lindern. Als sein Schwager bei einem Arbeitsunfall ums Leben kam, begann seine Schwester zu trinken. Sie hatte nach dem Tod ihres Mannes verzweifelt versucht ihren Bruder umzustimmen, der sich nach wie vor weigerte, ihr eine monatliche Unterstützung zukommen zu lassen. Nathan hatte ihr eiskalt erklärt, dass sie sich ihr Leben selbst ausgesucht hätte und nun auch die Konsequenzen tragen müsse. Kurze Zeit später starb Judith. Sie hatte eines Abends reichlich alkoholisiert Schlaftabletten genommen und den Morgen nicht mehr erlebt. Ob es sich um einen Selbstmord handelte oder ob sie versehentlich zu viele Tabletten geschluckt hatte, vermochten die Ärzte nicht zu klären. Nathan begrub sie an der

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