TITANIC-WORLD
wusste sie selbst nicht genau. Vielleicht wollte sie ihn nicht wieder verärgern – vielleicht gefiel es ihr auch. Craig wertete es als kleinen Sieg, unterdrückte jedoch den Impuls, den Arm um ihre Schultern zu legen. Stattdessen sagte er nur: „Ja, möglicherweise hast du recht. Trotzdem ist es seltsam. Sämtliche Techniker beharrten gestern einstimmig darauf, das beide Programme sich selbstständig gemacht hätten.“
„Ich weiß, den Eindruck hatten alle, besonders weil jede Fehlersuche im Sande verlief. – Aber, Craig, sei ehrlich. So etwas gibt es doch nur im Film.“
Ihm blieb keine Zeit zu antworten, da Claire ein bisschen atemlos zu ihnen stieß. Er konnte sie nur noch kurz informieren, dass es heute eine Weltpremiere geben würde, als bereits die ersten Reporter über die Gangway kamen.
Der Lunch im North Atlantic Inn war ein guter Auftakt. Ausnahmslos alle hatten im Biergarten, der die beiden Räume des Restaurants von einander trennte, Platz genommen. Es war angenehmer hier draußen im warmen Sonnenschein zu sitzen, als im Inneren des Schiffes, wo ein eisiger Hauch zu wehen schien. Die leichte Brise, die vom River Test herüber kam, ließ bei allen das Gefühl aufkommen, als befänden sie sich auf hoher See und die Stimmung unter den Journalisten war erwartungsvollheiter. Flüchtig fragte sich Cecilia, ob sie die gute Laune dem schönen Wetter, dem ausgezeichneten Lunch oder Craigs Südstaatencharme zu verdanken hatten. Als die ersten Reporter eintrafen, hatte er seinen Ärger hinunter geschluckt und jeden in seiner nonchalanten Art begrüßt. Als sie den Blick schweifen ließ, entdeckte sie ihn neben einer umwerfend aussehenden Blondine. Sie plauderten und warfen sich dabei tiefe Blicke zu. Cecilia gab es ein Stich der Eifersucht ins Herz. Sie wandte rasch den Kopf ab und begegnete geradewegs den blauen Augen von Nick Pollhurst, dem Journalisten des Southampton Echo . Er lächelte sie an und meinte mit einer Kopfbewegung in Richtung Craig: „Das ist Mandy Donahue, Reporterin bei der BBC. Verdammt heißer Feger, was?“
„Tja, die alten Sprüche stimmen doch immer. Wie sagte meine Oma schon: Frauen seid besser schön als klug, denn Männer können besser gucken, als denken.“
Nick Pollhurst brach in lautes Gelächter aus und einige der Journalisten an ihrem Tisch stimmten ein. Auch Cecilia schmunzelte, obwohl ihr Craigs offensichtliches Interesse an Mandy Donahue weh tat. Nick lächelte sie wieder an und sie lächelteunwillkürlich zurück. Sie kannten sich recht gut, denn er berichtete seit Baubeginn exklusiv über die TITANIC - WORLD . Nick war erst neunundzwanzig Jahre alt, hatte sich als Journalist aber bereits einen Namen gemacht, als er im Jahr 2010 über die Ölpest im Golf von Mexico schrieb. Er sieht nett aus, dachte Cecilia jetzt. Die blauen Augen blitzen bei ihm immer in jugendlichem Übermut auf und er wirkt er sehr athletisch. Außerdem mag ich es, wie er die Haare trägt. Diese Out-of-bed-Frisur steht ihm; die Haare stehen zwar in allen Richtungen vom Kopf ab, aber er sieht trotzdem nicht ungekämmt aus. Ihr kam plötzlich der Gedanke, wie schön es sein müsste, frisch verliebt zu sein und eine gemeinsame Zukunft vor Augen zu haben. Bei Craig war das unmöglich. Sie senkte den Blick und aß zerstreut ihren Nachtisch.
Nick mochte die Geschäftsführerin der TITANIC-WORLD . Seinem guten Beobachtungsvermögen war Cecilias melancholischer Gesichtsausdruck nicht entgangen und er runzelte die Stirn. Natürlich wusste er, dass die Beiden vor langer Zeit einmal ein Paar gewesen waren und er fand es bemerkenswert, dass sie es geschafft hatten, Freunde und Kollegen zu bleiben. Er räusperte sich und deutete mit dem Löffel auf sein leeres Nachtischschälchen. „Ich hätte nie gedacht, dass Milchreis mit Pflaumenkompott so lecker schmeckt. Hat’s das wirklich auf der TITANIC gegeben?“
„Ja. Es war ein typischer Nachtisch der dritten Klasse; genau wie die Suppe und das Hauptgericht.“
„Wow! Ich wusste gar nicht, dass die Zwischendeckpassagiere Roastbeef bekommen haben. Ich dachte, die Verpflegung in dieser Klasse wäre eher bescheiden gewesen.“
„Dann hast du deine Hausaufgaben nicht gut gemacht“, stichelte Cecilia und Nick protestierte: „Doch, hab‘ ich. Ich weiß, dass die dritte Klasse auf der TITANIC, im Vergleich mit anderen Linern ihrer Zeit, über bessere Unterkünfte verfügte und auch, dass die Verpflegung reichhaltiger war. Dennoch … mit Roastbeef hatte ich
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