TITANIC-WORLD
uns abwarten, ob noch mehr unerklärliche Vorfälle passieren. Wenn ja, und wir dann unsere Vermutungen etwas fundierter vorbringen können, lass‘ uns die Polizei einschalten.“ Sie zündete sich eine Zigarette an und fuhr erklärend fort: „Sieh mal, Craig. Bislang wissen wir doch nur, dass die Typen von 1.503 lost souls landesweit böse Leserbriefe an Zeitungen schicken und dass sie ein Internetportal haben. Da werden wir zwar als Grabschänder und Leichenfledderer beschimpft und sie fordern die Menschheit auf, die TITANIC- WORLD zu meiden, wie der Teufel das Weihwasser – aber das sind nur Worte, keine Taten. Ebenso wenig, wie ihre Mahnwachen bei den Gedenkstätten in Southampton. Zwar wollen sie damit erreichen, dass die armen Touristen, die eine historischeStadtrundfahrt machen, Buße tun und die böse, böse TITANIC-WORLD nicht besuchen – aber das ist auch nur ein ganz legaler Proteste, keine Sabotage.“ Sie sah Craig mit einem schiefen Lächeln an. „Übrigens tun sie uns mit dem Internet sogar einen Gefallen, weil sie ihre Aktivitäten publizieren. Vielleicht werden sie irgendwann zu übermütig und dann haben wir, sozusagen, einen schriftlichen Beweis in der Hand.“ Da Craig nichts erwiderte, sagte sie abschließend: „Wenn wir unschuldigen Bürgern die Polizei auf den Hals hetzen, sorgen wir selbst für schlechte Schlagzeilen. Wir leben schließlich in einer Welt der Meinungsfreiheit und es ist kein Verbrechen, gegen etwas zu protestieren, dass einem nicht gefällt.“
Diesmal ließ Craig sich Zeit mit der Antwort. Erst als Cecilia die Zigarette ausdrückte und aufstehen wollte, hielt er sie fest. „Du hast Recht, mit dem was du sagst.“ Seine Augen suchten die ihren und als er weitersprach, ließ er ihre Hand nicht los. „Wenn wir jetzt zur Polizei gingen, würden wir wie die Idioten dastehen und uns aller Wahrscheinlichkeit nach wirklich eine Anzeige wegen Rufschädigung einhandeln. Aber, eines versprech‘ ich dir: Wenn dieser beknackte Verein der TITANIC-WORLD weiterhin in die Quere kommt, sorge ich für Beweise, die sie wünschen lassen, von unserer Erlebniswelt die Finger gelassen zu haben. Ich werde sie da packen, wo es besonders weh tut und sie dann allesamt an den Eiern aufhängen!“
Cecilia drückte seine Hand ein wenig und sagte mit einem Anflug britischen Humors: „Ich werd‘ dich heimlich im Knast besuchen und der Welt deine lange Abwesenheit einfach mit einem Urlaub in der Karibik erklären.“
Cecilia stand gemeinsam mit Craig und Claire auf dem Bootsdeck. Es war viertel vor neun. Auf den Gangways, drei Decks unter ihnen, hatten sich mittlerweile lange Schlangen gebildet. Ein ganzes Stück von der TITANIC-WORLD entfernt, glitzerte die Morgensonne auf den abgestellten Pkws, während weiterhin Autos und Busse auf die Parkplätze der Eastern Docks zurollten. Claire, die gegen sieben eingetroffen war, hatte ihnen sogleich mitgeteilt, dass die ersten Besucher bereits seit halb sechs Uhr warteten. Jetzt sah sie auf die Menschenmasse hinunter und sagte: „Schade, dass nicht mehr als 3.400 Personen die TITANIC-WORLD gleichzeitig besuchen können. Der Andrang ist riesig und jeder will der Erste sein. Es ist kaum zu glauben, aber wir sind jetzt schon – ich meine vor der Eröffnung – bis Ende August komplett ausgebucht.“
„Ja, und wisst ihr, was ich glaube“, antwortete Craig gut gelaunt. „Wenn die Eröffnungswoche vorbei ist, werden bis zum Jahresende keine Karten mehr zu haben sein. – Dabei fällt mir ein, Cissy. Hast du mit Lloyd schon über unsere Pläne für Silvester sprechen können?“
„Nö, hab‘ ich noch nicht“, antwortete sie heiter. „Ich dachte, wir sollten zuerst einmal eröffnen und dann, am 14. April die Feier zum 100. Jahrestag hinter uns bringen, bevor wir uns den nächsten Events zuwenden.“
„Ihr habt vergessen, dass Lloyd zu sagen“, mischte sich Claire lächelnd wieder in die Unterhaltung ein. „Der arbeitet schon an sämtlichen Veranstaltungen zu jedem einzelnen Feiertag im Jahr. Ich glaube, bis auf eine Ostereiersuche, für Kinder zwischen zwei und sechs, hat er nichts ausgelassen.“
„Ganz der Mann nach meinem Herzen“, bemerkte Craig aufgekratzt und legte seine Arme um die beiden Frauen. „Ich kann schon die Schlagzeilen vor meinem geistigen Auge sehen: Partymeile – TITANIC-WORLD ! Vergesst Ballermann und Eimersaufen – feiern bis der Arzt kommt, in der gediegenen Atmosphäre des Rauchsalons !“
Sie lachten alle drei.
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