TITANIC-WORLD
Insgeheim beschloss Cecilia aber sofort, sobald sich der erste Eröffnungsrummel gelegt hatte, Lloyds zukünftige Partypläne etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Lloyd Davenport war ihr Marketing & Event-Manager und ein Mann, der seine Arbeit erstklassig erledigte. Seine Fröhlichkeit schien ihm angeboren zu sein, denn nichts und niemand konnte Lloyds gute Laune verderben. Auch sein Ideenreichtum schien unerschöpflich. Allerdings war er für Cecilias Geschmack, im Bezug auf die Erlebniswelt, ein bisschen zu einfallsreich. Sie persönlich hätte einem etwas diskreteren Manager den Vorzug gegeben. Trotzdem mochte sie Lloyd; seine Lebenslust wirkte ansteckend und er hatte im vergangenen Jahr, selbst an Tagen, wo alles schief zu laufen schien, niemals seinen Frohsinn verloren. Doch genau wie bei Craig, hatte Cecilia auch bei Lloyd immer das Gefühl, zu übermütige Ideen ausbremsen zu müssen. Wahrscheinlich verstehen sich die zwei deswegen so gut, überlegte sie halb belustigt, halb verzweifelt. Für Lloyd ist die TITANIC-WORLD einfach eine Freizeiteinrichtung, die er bestmöglich vermarkten will. Doch manchmal vergisst auch er leider die Tragödie, die sich hinter dem Namen TITANIC verbirgt.
„Es ist gleich so weit“, drang Claires aufgeregte Stimme durch ihre Gedanken. „Ich geh‘ runter.“ Sie winkte kurz in Cecilias Richtung, bevor sie das Bootsdeck verließ. Cecilia stand noch einen Moment da. In die Masse unter ihr kam eine leichte Bewegung und sie spürte, wie ihre Nerven anfingen zu vibriren. Jetzt ist es soweit, dachte sie mit laut pochendem Herzen. Jetzt wird sich zeigen, ob wir es geschafft haben. Ist es uns gelungen, eine Erlebniswelt zu erschaffen, die das Andenken an das Unglück nicht verhöhnt – oder haben wir auf ganzer Linie versagt und die TITANIC-WORLD ist – wie vielfach behauptet wurde – ein Totentanz auf einem Massengrab.
Sie wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen, als sich Craigs Arme um ihre Taille legen. Sie spürte, wie er sie langsam an sich zog und ihre Knie wurden weich. Sein Gesicht näherte sich dem ihren und das intensive, kalte Blau seiner Augen zog sie in seinen Bann. Leise, so dass sie sich konzentrieren musste, um ihn zu verstehen, sagte er: „Es war schön heute morgen, gemeinsam mit dir zu frühstücken. Ich bedauere nur, dass wir die Nacht getrennt verbracht haben.“ Er streifte ihre Lippen mit einem Kuss. „Ich liebe dich, Cissy und ich will, dass du mich endlich heiratest.“
Es dauerte einige Sekunden, bis Cecilia den Sinn seiner Worte erfasst hatte. Sie rückte ein paar Zentimeter von ihm ab, doch es dauerte noch einen Moment, ehe sie sprechen konnte. „Craig, ich kann dir jetzt nicht antworten. Ich kann überhaupt nicht denken. Noch nie hat unsere berufliche Zukunft so auf dem Spiel gestanden, wie heute. Was ist, wenn wir versagt haben?“
„Schschsch“, unterbrach er sie sanft. „Mach‘ dir keine Sorgen um die Zukunft der TITANIC-WORLD . Unsere Erlebniswelt wird ein vollkommener Erfolg werden. Wir sind ein unschlagbares Team, Cissy – du und ich! Vertrau‘ mir!“ Seine Lippen streiften sie erneut flüchtig, bevor er weitersprach: „Ich kann nicht nur mit dir arbeitenund nach Feierabend so tun, als wären wir nur gute Kollegen – und du kannst das auch nicht.“ Wieder küsste er sie. „Cissy, meine über alles geliebte Cissy“, murmelte er leise. Dann sah er ihr tief in die Augen und sagte fest: „Lass‘ uns diese Farce endlich beenden und heiraten.“
Cecilia fühlte sich, wie vor den Kopf geschlagen. Abgehackte Bilder purzelten wirr durcheinander. Sie sah Craig, wie er ungeniert mit Mandy Donahue flirtete; dann erschien April Eastman vor ihrem geistigen Auge, die ein wenig schuldbewusst in ihre Richtung geblickt hatte, bevor sie mit Craig verschwunden war. Ihr Herz klopfte unregelmäßig und ihre Kehle fühlte sich an, als sei sie mit Glassplittern gefüllt. Sie wollte den Blick senken. Stattdessen sah sie in seine stahlblauen Augen, die jede Härte verloren hatten und fast flehend die ihren suchten. In diesem Moment hätte sie schwören können, dass Craig keine andere Frau je so angesehen hatte. Sie schluckte hart und sagte flehentlich: „Bitte, Craig. Nicht jetzt. Bitte.“
Eine Sekunde sah er sie unergründlich an. Dann streiften seine Lippen noch einmal flüchtig ihren Hals und ohne ein weiteres Wort entfernte er sich in Richtung erster Klasse Treppenhaus.
Cecilia sah ihm nicht nach. Sie umklammerte die Reling mit beiden Händen
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